Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
er.
»Dem Skaraheer sei Dank«, sagte Matt.
Im nächsten Augenblick riss ihm ein heftiger Stoß die Beine weg, und er stützte sich an der Mauer ab, um nicht umzufallen.
»Nicht festhalten«, brachte Ambre mit Mühe hervor.
Mit dem Rücken zum Mauerwerk hob Matt sachte ab, die Beine von einer unsichtbaren Kraft zusammengepresst.
»Du tust mir weh«, sagte er, »kannst du ein bisschen lockerer lassen?«
Sofort löste sich der Griff, der ihn umklammerte, und Matt begann zu fallen. Die Kraft kam zurück, kurz bevor er auf den Boden traf, und nahm ihn wieder in den Schraubstock.
Matt stieß einen erstickten Schrei aus, der sich in ein langes Stöhnen verwandelte. Er ballte die Fäuste, und der Druck wurde erträglich.
Er stieg wieder auf.
Chen und Ambre waren bereits zehn Meter höher, auf halber Strecke.
Der Schmerz klang ab, und Matt konnte wieder durchatmen. Hin und her schwankend näherte er sich seinen beiden Freunden. Die Energie, die ihn hielt, war unstet.
Unter ihm ging es schon verdammt weit in die Tiefe.
Vom Schwindelgefühl wurde ihm übel.
Chen schien keine Probleme zu haben. Er schob Ambre und sich in die Höhe, indem er sich mit den Beinen abstieß und mit den Armen zog. Er kletterte mit der Eleganz einer Eidechse.
Matt versuchte, die Zinnen über ihnen im Blick zu behalten; er sah keine Wachposten. Er hoffte, dass niemand ihren Aufstieg bemerkt hatte.
Inzwischen schwebte er etwa fünfzehn Meter hoch.
Die Levitationskraft hatte sich auf seinen ganzen Körper verteilt, und er litt weniger. Aber der Energiefluss war nicht gleichmäßig. Er hatte den Eindruck, dass er gleich ins Leere stürzen würde.
Doch Ambre hob ihn weiter an. Bis auf zwanzig Meter.
Ganz nah an die Zinnen des Wehrgangs heran.
Ambre klammerte sich an Chen. Ihre Muskeln waren zum Zerreißen gespannt.
Sie atmete kaum noch.
Es ist gleich vorbei, halte durch!, beschwor sie sich innerlich. Konzentriere dich auf Matt.
Um ihn hochheben zu können, hatte sie ihn fühlen müssen. Sie hatte ihre Gedanken in den Körper ihres Freundes projiziert, bis sie den Raum, den er ausfüllte, ganz deutlich spürte. Dann hatte sie einen imaginären Schraubstock um seine Beine festgezogen und angehoben.
Ohne die Käfer wäre sie zu einer solchen Leistung niemals imstande gewesen. Allerdings beherrschte sie diese Kraft noch nicht vollkommen. Sie ahnte, welche Schmerzen sie Matt zufügte, und versuchte, den Druck zu verteilen.
Ihr Herz raste, in ihrem Kopf drehte sich alles, und ein dröhnendes Brummen schwoll zwischen ihren Schläfen an.
Nicht Matt kostete sie am meisten Kraft; sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr so schwerfallen würde, sich an Chen festzuhalten. Wenn sie Krämpfe bekam, war alles aus.
Gleich würde sie loslassen und zwanzig Meter weiter unten auf den Boden krachen.
Matt. Sie musste Matt heil hochbringen.
Inzwischen war die Energie gut auf seinen ganzen Körper verteilt.
Sie spürte seine Haut, seine Wärme, seinen Geruch, und hätte ihr eigenes Herz nicht so wild getrommelt, dann hätte sie seinen Herzschlag fühlen können. Sie spürte Matt ganz und gar.
Plötzlich wurde ihr klar, dass sie ihn so deutlich spürte, als wären sie nackt aneinandergeschmiegt.
Ihre Konzentration riss.
Sie verpasste sich eine gedankliche Ohrfeige und stellte den Kontakt gerade noch rechtzeitig wieder her, bevor Matt ihr entglitt.
Sie hielt ihn wieder fest gepackt.
Ambre keuchte, der Schweiß rann ihr über das Gesicht. Ihr wurde schwarz vor Augen.
Sie konnte nicht mehr.
Und Matt baumelte immer noch in der Luft.
Sie begriff, dass sie sich sofort entscheiden musste. Er oder sie.
Ambre entschied sich für Matt. Noch ein paar Zentimeter, und er war oben. Sie würde verzichten.
Es war ein schönes Leben gewesen. Sie hätte es gern noch ein wenig länger mit ihm geteilt. Ihn näher kennengelernt.
Ihn geliebt.
Ihre Gedanken konzentrierten sich voll und ganz auf Matt, und ihre Arme ließen los.
Chen machte einen letzten Klimmzug.
In dem Moment, in dem Ambre nach hinten kippte, hangelte er sich über eine Zinne, fuhr herum und bekam sie gerade noch zu fassen.
Die Erschöpfung raubte ihr die Sinne.
Sie verlor den gedanklichen Kontakt.
Chen zog sie auf die Mauer, während sie in höchster Verzweiflung eine Hand nach Matt ausstreckte.
Zu spät. Er verschwand bereits in der Tiefe.
Einen Sturz aus dieser Höhe würde er nicht überleben. Ambre krümmte sich zusammen. Ihr Herz, ihre Gedanken, alles blieb stehen. In ihrem
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