ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
die sie eindringen konnten. Matt schrie überrascht auf, als eine Eidechse aus einer Ritze in einem Grabstein hervorschnellte, eine Made verschluckte und wieder in die Finsternis verschwand. Ihr Kopf war so groß wie eine Kinderhand.
»Wo bin ich hier bloß?«, murmelte er und entfernte sich hastig.
Allmählich bedauerte er, Plusch nicht mitgenommen zu haben.
Da knackte ein Zweig. Matt fuhr herum.
Ein schwarzer Strich sauste durch die Luft. Ehe er begriff, was es war, steckte der Pfeil bereits mitten in seiner Brust und schnitt ihm die Luft ab. Matt stolperte und stützte sich gegen ein großes Kreuz aus grauem Stein. Es dauerte einen Moment, bis er wieder atmen konnte, aber als wieder Luft in seine Lungen strömte, stellte er verwundert fest, dass er nur den Schmerz des Aufpralls spürte. Es fühlte sich so an, als würde er mit einem blauen Fleck auf der Brust davonkommen, dabei steckte der Pfeil doch in seinem Oberkörper. Oder genauer gesagt, in seinen Klamotten und dem Futteral der Kevlarweste. Die Pfeilspitze hatte die Schutzschicht nicht durchschlagen.
Matt hob den Kopf und starrte in die Richtung, aus der der Pfeil abgeschossen worden war. Als der Schütze ein zweites Mal zuschlug, konnte er wieder nicht ausweichen. Diesmal traf ihn der Pfeil auf Nabelhöhe. Die Weste war sein Glück, aber lange würde das nicht so weitergehen. Früher oder später würde der Feind auf sein Gesicht zielen. Matt sprang über ein Grab und rannte auf den Wald zu. In der Dunkelheit konnte er nichts erkennen. Jemand bewegte sich im Gestrüpp und begann ebenfalls zu laufen.
Er flieht! Der feige Hund flieht! , dachte Matt wütend. Er schlug sich durch die Büsche um den Friedhof und spähte zwischen den Bäumen hindurch. Er sah nichts, aber irgendwo knackten trockene Zweige. Mit der Kraft der Verzweiflung machte sich Matt auf die Verfolgungsjagd. Ambres Leben stand auf dem Spiel. Irgendwann erblickte er weit vor sich eine Gestalt. Der Schütze, den er nur schemenhaft erkennen konnte, glitt unter dem riesigen Spinnennetz durch und riss dabei einige Kadaver herunter. Als Matt an der gleichen Stelle hindurchschlüpfen wollte, entfalteten sich acht schwarze Beine und rasten über das Netz auf ihn zu. Er rutschte aus und konnte durch eine Rolle rückwärts gerade noch vermeiden, dass er sich in den klebrigen Fäden verfing. Die Spinne war mindestens so groß wie eine Katze, aber er nahm sich nicht die Zeit, sie noch einmal genauer anzusehen.
Durch den Umweg verlor er wichtige Sekunden. Als er zum Weg vorstieß, war sein Angreifer schon über alle Berge. Matt war so blind vor Zorn, dass er nicht darauf achtete, wohin er die Füße setzte. Er stolperte über eine Wurzel und schlug hart mit dem Kinn auf den Boden. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er blieb eine lange Minute liegen, bis er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte und aufstehen konnte.
Es hatte keinen Sinn mehr, sich zu beeilen. Jegliche Chance, Ambres Entführer einzuholen, war dahin. Am liebsten hätte Matt laut geweint. Er wollte sie nicht verlieren. Der Gedanke, dass sie sterben könnte, noch dazu seinetwegen, war ihm unerträglich. Er sehnte sich danach, sie zu sehen, sie an sich zu drücken und den Duft ihrer Haut zu riechen. Nein, so durfte das nicht enden. Der Entführer hatte nichts verlangt. Er hatte Matt einfach nur zum Friedhof gelockt, um ihn in Ruhe umzubringen. Das war sein Plan! Mich töten! Kein Zweifel, sein Angreifer war der Spitzel der Zyniks. Die Rädelsführer ausschalten: Ambre, Tobias und mich! Wenn er recht hatte, dann war es unwahrscheinlich, dass Ambre noch lebte. Warum sollte der Verräter sie verschonen, wenn er sie ohnehin alle drei umbringen wollte? Tobias! Ich habe Tobias allein im Zimmer gelassen!
Matt lief wieder los, aber nach kurzem Nachdenken beruhigte er sich. Das ist das Werk eines Einzelnen. Es gibt nur einen Verräter. Die Zyniks sprachen von einem Jungen, nicht von mehreren. Er konnte nicht gleichzeitig auf dem Friedhof sein und Tobias im Kraken auflauern.
Trotzdem ging er, so schnell er konnte, zur Villa zurück und rieb sich hin und wieder sein schmerzendes Kinn.
Er kam gerade an der Hydra vorbei, als er sie hörte. Ein sonderbares Rauschen und Quieken. Matt drehte sich um, sah aber nichts. Dann hob er den Kopf. Über hundert flatternde Fledermäuse bildeten eine lange Schlange am Himmel und stießen immer tiefer. Matt hatte das unangenehme Gefühl, dass sie ihn suchten, und fiel in Laufschritt. Die Wolke zitterte und wurde
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