ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
Wenn man erst mal einen bewohnbaren Ort gefunden und sich einen Unterschlupf gebaut hat, will man ihn nicht so schnell wieder verlassen. So wie wir auf dieser Insel. Wer will schon von hier weg? Hier sind wir in Sicherheit. Wir haben es bequem, genug zum Essen ist auch da, und wir haben sogar Hühner, die frische Eier legen!«
Matt nahm diese Informationen begierig auf. Allmählich zeichnete sich vor seinen Augen ein Bild von dieser neuen Welt, die ihm immer aufregender und zugleich beklemmender erschien. Die Zyniks … die Mampfer … die Pans. Was war in jener verhängnisvollen Nacht geschehen, als der Sturm über sie hereingebrochen war? Was hatte es mit den Blitzen auf sich, die alle Leute um ihn herum in Luft aufgelöst hatten? Wie hatte es dazu kommen können?
Plötzlich sprang Tobias auf und bat Matt, ihm zu folgen. Sie gingen holzgetäfelte Flure entlang, stiegen Treppen hinab und durchquerten Säle voller Gemälde, Bücher und Skulpturen, bis sie zu einer Wendeltreppe gelangten, die in einen schmalen Turm führte. Matt wurde allmählich richtig müde. Seine Knie waren weich wie Butter, und ihm war schwindlig.
Tobias öffnete eine Falltür in der Decke, und kurz darauf standen sie auf dem Aussichtsturm der Villa. Von hier aus überblickten sie die ganze Insel.
Matt stockte der Atem. Ein etwa zwei Kilometer langes und einen Kilometer breites Stück Land teilte den Fluss in zwei wogende graue Arme. Ein grüner Mantel bedeckte es, aus dem die Spitzen, Türme, Kuppeln und Steinbögen der sieben Villen emporragten wie Felsklippen aus einem Wolkenmeer. Etwas abseits bemerkte Matt eine bunt durcheinandergewürfelte Ansammlung kleiner Bauten.
»Was ist denn das da drüben?«
Der Wind fuhr durch seine zu langen Haare. Die Hügel entlang der Flussufer verloren sich am bewaldeten Horizont.
»Das ist der Friedhof. Hier gibt es drei Orte, die man besser meidet. Den da«, sagte Tobias und zeigte auf das Haus des Minotaurus und seinen riesigen Turm, »den Friedhof und das Flussufer, vor allem am südlichen Ende der Insel.«
»Wieso?«
»Weil es dort gefährlich ist. Der Fluss ist voller seltsamer Wesen. Sie zeigen sich kaum, aber wenn man nur ihre schwarzen Umrisse unter der Wasseroberfläche erkennt, kann man sich schon denken, dass man ihnen besser nicht zu nahe kommt. Wir müssen angeln gehen, um uns etwas abwechslungsreicher zu ernähren, aber das ist hier eine höchstgefährliche Angelegenheit! Letzte Woche wäre Steve beinahe mit der Angel ins Wasser gerissen worden, und kurz darauf ist eine Flosse aufgetaucht, die so groß wie ein Basketballkorb war. Und was den Friedhof und die Villa betrifft, glaube mir, darum solltest du einen großen Bogen schlagen.«
Das Verhalten seines Freundes überraschte Matt mindestens ebenso sehr wie die Geschichten, die er erzählte. In den vergangenen fünf Monaten hatte sich Tobias nicht nur körperlich verändert. Er drückte sich gewandter und überlegter aus und hatte an Reife und Selbstsicherheit gewonnen. Allerdings wirkte er immer noch hyperaktiv: Er zappelte ständig herum und konnte keine zwei Minuten stillhalten. In dieser Hinsicht war er ganz der Alte.
Ein großer Rabe setzte sich direkt neben sie auf eine Zinne und starrte sie aus seinen schwarzen Knopfaugen an.
»Wenigstens sind die Vögel nicht verschwunden«, bemerkte Matt sarkastisch.
»Ja. Eigentlich erfahren wir Monat für Monat mehr darüber, was nach dem Sturm noch alles übrig geblieben ist. Jedes Mal, wenn ein Weitwanderer vorbeikommt, was nicht häufig passiert, oder wenn wir ausrücken.«
»Erkundet ihr die Umgebung?«
»Nein, um Himmels willen! Dabei passieren viel zu viele Unfälle. Wir verlassen die Insel so selten wie möglich.«
An Tobias’ betrübter Miene erkannte Matt, welche Tragödien sich schon abgespielt haben mussten, und verkniff sich weitere Fragen.
»Den meisten Ärger gibt es, wenn wir uns zum Beerensammeln in den Wald wagen. Aber wir können nicht darauf verzichten. Doug meint, dass wir frisches Obst essen müssen, um nicht krank zu werden. Und wenn uns die Vorräte ausgehen, brechen wir zu den Ruinen einer Stadt auf, die nur wenige Kilometer von hier entfernt liegt, und besorgen uns dort Trinkwasser, Mehl und Konserven.«
»Gibt es in der Stadt genügend Lebensmittel?«
»Mehr als genug! Wir werden gar nicht die Zeit haben, alles zu essen, bevor das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Bis jetzt kommen wir gut über die Runden. Aber früher oder später wird uns nichts
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