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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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jetzt Gedanken lesen?«, rief Tobias begeistert. »Und im Geiste an andere Orte reisen?«
    »Nein«, erwiderte der alte Mann lächelnd, »nichts dergleichen. Die Übungen haben mein Denken erweitert, ich nehme mein Universum nun anders wahr.«
    »Was? Das ist alles?«
    Balthazar musterte Tobias lange, bevor er antwortete.
    »Nur weil ich so feinfühlig auf die Menschen, auf ihre Wechselbeziehungen und vor allem auf die Natur reagiere, habe ich die Katastrophe überlebt! Das ist doch schon was, findest du nicht auch?«
    Tobias zuckte skeptisch die Achseln. Dann runzelte er plötzlich die Stirn.
    »Sie sagen uns nicht alles! Sie können sich in eine Schlange verwandeln!«
    Wieder lächelte der alte Mann.
    »In New York habe ich auf deine Wahrnehmung eingewirkt, um dich glauben zu lassen, du hättest eine Schlange gesehen. Die Umgebung, die Macht des Geistes und des Blicks …«
    »Nein, nein«, protestierte Tobias. »Ich habe es vorhin wieder gesehen, das war keine Einbildung, die Sie oder ich selbst hervorgerufen haben! Das war echt! Ihre Augen! Ihre Zunge!«
    Balthazar nickte.
    »Seit der Katastrophe hat sich vieles verändert«, sagte er. »Ich hielt mir früher mehrere Schlangen. Sie ringelten sich um meine Arme und Beine, und ich trug sie stundenlang herum. Sie halfen mir, mich zu konzentrieren, indem ich auf das Zittern ihrer Schwänze achtete … Als in jener Nacht der Sturm über die Welt kam, veränderte sich das Erbgut der Menschen, Tiere und Pflanzen. Am nächsten Morgen hatte mich der Orkan nicht nur an diesen Hunderte Kilometer entfernten Ort versetzt, er hatte auch noch etwas anderes bewirkt: Meine Schlangen waren nicht mehr da. Sie waren in mir.«
    »Sie sind mit den Schlangen … verschmolzen?«, fragte Ambre ungläubig.
    Der alte Mann nickte zustimmend.
    »Das ist ja ekelhaft«, sagte Tobias rundheraus.
    »Seither bin ich zum Teil sie, und sie sind zum Teil ich«, erklärte Balthazar.
    »Deswegen sind Sie nicht wie die anderen Zyniks«, folgerte Ambre.
    »Nein, das liegt daran, dass ich mein Gedächtnis behalten habe. Sie wissen nichts mehr darüber, wer sie sind. Sie tappen völlig im Dunkeln. Die Königin hat ihre Ängste und ihren Jähzorn beschwichtigt, indem sie ihnen Erlösung versprochen und euch, den Kindern, die Schuld an der Katastrophe gegeben hat.«
    »Und das alles nur, weil sie sich an nichts mehr erinnern?«, fragte Tobias erstaunt.
    »Ohne Gedächtnis gibt es keine Identität, keine Werte. Seit sie das Wissen um sich selbst verloren haben, sind sie wie leere Marionetten. Malronce musste sie sozusagen nur mit neuen Gewissheiten ausstopfen, um sie sich gefügig zu machen.«
    »Aber Sie sehen das kritisch«, sagte Ambre.
    »Ich kenne mich selbst. Ich bin keine leere Hülle, die man nach Belieben füllen und sich dienstbar machen kann.«
    Tobias schöpfte wieder Hoffnung.
    »Sie werden uns also nicht ausliefern?«
    Balthazar räusperte sich und lehnte sich zurück.
    »Wenn ihr mich nicht weiter anschwindelt, lasse ich vielleicht mit mir reden. Jetzt seid ihr dran. Erzählt mir von euch.«
    Ohne auf Einzelheiten einzugehen oder die Alteration zu erwähnen, schilderte Ambre ihre Reise durch den Blinden Wald und die Umstände, die sie nach Babylon geführt hatten. Sie wüssten nicht, wie es zu Matts Verhaftung gekommen war; sie hätten ihn mit einem Mann in einem roten Kapuzenmantel aufbrechen sehen. An diesem Punkt zuckte Balthazar zusammen.
    »Das war ein spiritueller Berater der Königin«, erklärte er. »Er heißt Erik, er ist ein grausamer und fanatischer Mann. Wenn er euren Freund nach Wyrd’Lon-Deis bringt, könnt ihr ihm jetzt schon Lebewohl sagen.«
    »Das ist das Reich der Königin, oder?«, fragte Ambre.
    »Ja, so nennt Malronce ihre Festung und das Gebiet ringsum. Dort befinden sich die Minen, in denen die kräftigeren Kinder und die Mutanten arbeiten. Der Himmel ist rot, aber immer verdunkelt von dem schwarzen Rauch aus den Schloten der Waffenschmieden. Angeblich gehen in dem Schloss, in dem Malronce lebt, Ungeheuer und Gespenster um. So kann sie sicher sein, dass niemand ihr zu nahe kommt.«
    Ambre sprang auf.
    »Wir dürfen nicht zulassen, dass sie Matt in den Süden bringen. Wir wissen jetzt, dass Sie nicht wie die anderen sind. Sie müssen uns vertrauen, bitte verraten Sie uns nicht, die Zyniks werden keine Gnade mit uns walten lassen, ich flehe Sie an, seien Sie nicht wie dies …«
    »Immer mit der Ruhe, meine Kleine, immer mit der Ruhe. Ich hatte nie vor, euch zu

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