Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
uns von der Strömung bis an den Südrand der Stadt tragen«, schlug Tobias vor.
    »Das geht aber nur, solange es noch dunkel ist! Du hast doch auch die Türme im Festungsring gesehen, die die Ein- und Ausfahrt der Schiffe überwachen. Von dort aus entdeckt man uns sicher sofort.«
    »Kannst du mit deiner Alteration das Boot anheben oder zumindest schneller fahren lassen?«
    »Dazu ist es zu groß und zu schwer, ich würde es höchstens ein paar Meter weit schaffen.«
    Tobias zuckte die Achseln.
    »Dann muss es eben irgendwie anders gehen.«
    Hin und wieder stießen unheimliche Schatten aus der Tiefe an die Oberfläche. Tobias beschloss, das Prusten und Plätschern lieber zu ignorieren.
    Der alte Balthazar stand noch immer im Schatten der Häuser am Ufer und sah ihnen nach. Tobias ging ein Stich durchs Herz, als er daran dachte, wie einsam dieser seltsame Kauz doch war. Und in New York hatten sie ihn für einen Menschenhasser gehalten …
    Zwanzig Minuten lang paddelten sie auf das Gegenufer zu, so fest sie konnten. Als die Kaimauer nahe genug war, um sie mit Händen zu greifen, atmete Tobias erleichtert auf. Die Flussmonster hatten sie in Ruhe gelassen.
    Ambre hatte bereits eine runde Öffnung in der Mauer anvisiert und benutzte ihr Paddel als Steuerruder, um das Boot unter das Abwasserrohr zu manövrieren. Nach einigem Hin- und Herbalancieren gelang es ihnen, sich zu der Öffnung hochzuziehen, und Tobias fand sogar einen etwas hervorstehenden Nagel, an dem er das Boot festbinden konnte.
    Dann holte er seinen Leuchtpilz aus der Tasche und hielt ihn in die Höhe.
    Das Kanalrohr hatte einen Durchmesser von etwa zwei Metern und war über und über mit grüngelben Flechten überzogen, die fast wie Stahlwolle aussahen.
    »Fass die Wände ja nicht an«, warnte Ambre ihn. »Ein Weitwanderer hat mir mal erzählt, dass manche unterirdischen Gewächse inzwischen schlimmere Verbrennungen hervorrufen als alle bisher bekannten Giftpflanzen.«
    Tobias zog erschrocken den Kopf ein.
    Ihm ging auf, dass sie für ein Kommandounternehmen nicht gerade gut gerüstet waren. Er trug seinen Bogen und sein Jagdmesser, während Ambre, wenn überhaupt, nur ein Taschenmesser bei sich hatte. Gegen die Schwerter, Äxte und Streitkolben der Zynik-Soldaten würden sie damit nicht viel ausrichten können.
    Unsere Alteration gleicht das vielleicht aus,
versuchte er sich Mut zu machen.
    Um nicht mit der Flechte in Berührung zu kommen, mussten sie durch das stinkende Rinnsal waten, das sich in der Mitte des Tunnels gesammelt hatte, auch wenn ihre Schritte dabei lauter platschten, als ihnen lieb war.
    Von fern drang ein merkwürdiges Brummen an ihre Ohren.
    Das Geräusch kam rasch näher und wuchs zu einem vibrierenden Dröhnen an, das Tobias an eine einfahrende U-Bahn in den Tunneln von New York erinnerte. Erst einen Augenblick später besann er sich wieder.
    »Das muss irgendein Tier sein«, sagte er. »Und es fliegt geradewegs auf uns zu!«
    Da schlug ihnen auch schon eine Wolke aus Hunderten von Insekten entgegen, die über ihre Gesichter zu krabbeln begannen und sich in ihren Haaren und Kleidern verfingen. Ambre fuchtelte panisch mit den Armen, während Tobias sicherheitshalber eine Hand über Nase und Mund legte.
    Im Licht des Pilzes konnte er die Tiere genauer erkennen. Ein langer, schmaler Körper mit zwei Flügelpaaren …
Libellen! Das sind nur Libellen!
    Die Wolke umschwirrte sie nicht lange, sondern setzte ihren Weg fort, bis sie die Öffnung zum Fluss erreichte und über dem Wasser zerstob.
    Tobias versicherte Ambre, dass es sich nur um große Libellen gehandelt habe, aber sie wirkte trotzdem verstört.
    Bei der ersten Abzweigung bogen sie nach links ab, um unter dem Kai entlangzulaufen. Zu seiner Erleichterung stellte Tobias fest, dass alle fünfundzwanzig Meter ein Gitterrost in die Decke eingelassen war, durch den der Mond in den Tunnel schien. Als sie an sieben Gittern vorbeigekommen waren, beschlossen sie, erst einmal ihre Lage zu bestimmen.
    Ambre machte eine Räuberleiter für Tobias, der das Gitter ächzend ein Stück in die Höhe hob und vorsichtig den Kopf ins Freie steckte.
    Das Schiff des königlichen Beraters, die
Charon,
dümpelte nur dreißig Meter von ihnen entfernt.
    Er stieg wieder hinunter und deutete auf den nächsten Schacht.
    »Wir sind schon ganz nah«, sagte er.
    Sie kletterten durch das nächste Gitter auf den Uferweg hinaus. Bis zur Gangway waren es nur noch wenige Schritte …
    »Irgendwas ist hier faul«,

Weitere Kostenlose Bücher