Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
sich damals eben geschworen, nie wieder an einer Hausecke auf einen Kerl zu warten. Jetzt waren es gleich zwei, und sie ließen lange auf sich warten. Bärbel überlegte, ob sie im Café Dohmen gegenüber etwas Heißes trinken sollte. In diesem Moment sah sie Lorenz und Gustav kommen.
»Wo habt ihr denn nur gesteckt, ihr Schlümpfe!«, begrüßte Bärbel die beiden.
»Lorenz steht heute auf Kriegsfuß mit seinem Knie«, antwortete Gustav und simulierte ein Hinken.
»Und wie geht`s dir?«, fragte Bärbel.
»Prächtig«, meinte Gustav. »Ich hätte den lahmen Hund auch tragen können, wenn er das nicht als ehrenrührig empfunden hätte.«
»So so«, brummte Lorenz. »Der lahme Hund wird dir noch zeigen, wer wen auf den Arm nehmen kann!«
Bärbel lachte. »Männer! Ihr wollt doch, dass ich euch ernst nehme, also gebt mir doch bitte die Gelegenheit dazu!«
»Ja, Frau Heimleiterin«, antwortete Gustav grinsend. »Wir gehorchen und geloben Ernsthaftigkeit.«
»Er spricht nicht für mich«, lachte Lorenz und winkte mit seinem Gehstock. »Nun genug Unsinn geredet und auf zur Burg. Die arme Bärbel hat sich hier die Beine in den Bauch gestanden, also auf jetzt!«
Lorenz ging langsam voran. Er schob sich seine Kappe tiefer in die Stirn und grummelte: »Der alte Kommissar war heute vielleicht etwas lahm, jedoch konnte ihn der leichte Eifelregen nicht davon abhalten, den Burghügel erneut zu ersteigen.«
Er hatte bei jedem Schritt Schmerzen in seinem Knie. Jedoch wusste er, dass so schnell, wie die Beschwerden gekommen waren, diese auch wieder verschwinden würden. Vermutlich war es nur das kühle und feuchte Wetter.
Sie gingen sehr gemütlich die Gasse zum Burgflecken hinauf, an der Kirche vorbei und hatten bald den Eingang zum eigentlichen Burggelände erreicht. Dort ragte der alte Ostturm über ihren Köpfen empor.
Bärbel fragte: »Lorenz, du kennst dich doch aus. Ist das Mauerwerk hier original mittelalterlich? Oder ist das nachgebaut?«
Lorenz schaute die Sandsteinwand hinauf. »Hm, ich glaube, ein kleiner Teil stammt aus dem vierzehnten Jahrhundert, aber im Original war der Turm viel höher, und er wurde vermutlich bei der letzten Eroberung und endgültigen Zerstörung der Burg geschleift. Schau mal um die Ecke, da gibt es eine Informationstafel.«
Sie gingen um den Turm herum bis zu einem Treppenaufgang, an dem ein Schild ihn als sogenannten Küchenturm auswies. Bärbel las den Text, fand aber auch hier ihre Frage nicht wirklich beantwortet. »Ach«, meinte sie. »Das war ein Verteidigungsturm, der aber im Untergeschoss als Vorratskammer genutzt wurde. Daher der Name Küchenturm. Und diese Treppe hier ist wohl tatsächlich um die siebenhundert Jahre alt.«
Sie blickte die gewundene Treppe hinauf und schüttelte den Kopf. »Da hat doch ein Witzbold die Nutzung als Küche simuliert.«
»Was meinst du?«, fragte Gustav.
»Na, da oben«, antwortete Bärbel und wies die Treppe hinauf. »Da hat jemand rote Farbe hingeschmiert, so, als sei hier gerade ein Tier geschlachtet worden, um als frischer Braten für den Grafen zubereitet zu werden.«
Lorenz schaute misstrauisch auf den Treppenaufgang. Dann stieg er ein paar Stufen hinauf, wobei er vor sich hin brummte: »Kommissar Wollbrand wusste nur zu gut, dass hier kaum jemand einen Scherz mit roter Farbe im Sinn hatte.« Er stieg weiter hinauf um die Windung der Treppe herum. Dann blieb er stehen. Lorenz betrachtete ruhig, so, als hätte er nichts anderes erwartet, die Leiche eines Mannes, von der ein kleines Rinnsal geronnenen Blutes die steilen Treppenstufen herabführte.
»Keine Farbe, liebe Bärbel«, rief er dann. »Echtes Blut, und leider kein Braten für den Fürsten, sondern eine Leiche für Opa Bertold!«
Einige Sekunden kam keine Antwort von unten. Dann ließ sich Gustav vernehmen: »Erzähl keinen Quatsch!«
Lorenz trat noch eine Stufe höher, um den Toten besser ansehen zu können. Er achtete darauf, weder auf das Blut noch auf am Boden liegende Gegenstände zu treten. Der Mann lag gekrümmt auf der Seite. Seine Augen waren weit aufgerissen. Eine Hand umklammerte das Geländer, welches die Öffnung der Treppe zur Außenwand des Turmes hin absicherte. Das Hemd des Toten wies an der Brust einen großen Blutfleck auf, der unschwer als die Quelle des roten Rinnsals erkennbar war. Lorenz kniff die Augen zusammen und murmelte: »Der alte Ermittler konnte mit einem Blick erkennen, dass der Mord genau an dieser Stelle geschehen war.«
Bärbel und Gustav
Weitere Kostenlose Bücher