Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
drängten sich hinter Lorenz die Treppe hinauf. Bärbel spähte an ihm vorbei und erhaschte einen Blick auf die Leiche. »Huch!«, rief sie. »Da ist ja wirklich ein Toter!«
Sie schlug entsetzt die Hände vors Gesicht, aber schon einen Moment später siegte die Neugier, und Bärbel riskierte einen weiteren Blick.
»Und ich hab gedacht, jetzt ist der alte Opa Bertold ganz übergeschnappt«, bemerkte Gustav.
»Von wegen«, knurrte Lorenz.
»Und wir kennen den Toten sogar«, setzte Bärbel hinzu.
»Was?«, riefen Lorenz und Gustav gleichzeitig aus.
»Ja, seid ihr denn blind?«, fragte Bärbel. »Der Mann saß gestern in der Kirche, als wir da waren.«
»Ich kann mich nicht erinnern«, meinte Gustav.
»Du warst ja auch malade«, versetzte Lorenz. »Ich kann mich gut erinnern. Da waren zwei Männer. Einer schien mir ein Geistlicher zu sein, der andere nicht. Aber die Gesichter habe ich nicht erkennen können.«
»Aber ich«, meinte Bärbel, und ihre Stimme klang ein bisschen stolz. »Dieser Mann war da, und der andere sah aus wie – nein, nicht wie ein Pfarrer, eher wie ein orthodoxer Priester, so mit einem langen schwarzen Bart, ihr wisst schon.«
»Hm«, sagte Lorenz. »Jetzt, wo du's sagst, kommt es mir auch so vor. Seltsam.«
»Das ist allerdings seltsam«, meinte Gustav. »Was machen wir jetzt?«
»Ich rufe Rita an.« Lorenz fummelte in seiner Jackentasche herum. »Dumm aber auch«, knurrte er dann. »Ich habe das blöde Handy nicht dabei.«
Bärbel zückte ihr Mobiltelefon. »Dann sag mir mal die Nummer.«
»Was? Meinst du im Ernst, ich wüsste Ritas Nummer auswendig?«
Bärbel kicherte kurz und schämte sich in Gegenwart des Toten dann sofort dafür. »Dann ruf ich halt die Polizei an.«
»Ja, tu das«, stimmte Gustav zu.
Bärbel telefonierte, und die beiden Männer hörten still zu, als sie erklärte, was passiert war.
»Ja doch!«, rief sie laut ins Telefon. »Ich weiß, was eine Leiche ist, und ich sehe das Blut, und es war kein Unfall!«
Dann sagte sie »ja« und wenig später nochmals »ja«, dann beendete sie das Gespräch. »Das gibt’s doch nicht«, entrüstete sie sich. »Die wollten mich fast nicht ernst nehmen!«
»Na ja«, beschwichtigte Gustav. »Ein Mordopfer wird in Nideggen ja auch nicht alle Tage gefunden.«
»Nee«, schimpfte Lorenz. »Und ich weiß schon, warum ich Rita zuerst sprechen wollte. Die weiß wenigstens sofort, was zu tun ist. Bin mal gespannt, welche Schlaumeier hier gleich aufkreuzen.«
»Auf jeden Fall machen wir schon mal unsere Spurensicherung«, meinte Bärbel. Sie drückte sich an Lorenz vorbei und machte einige Fotos mit ihrem Mobiltelefon. »So«, sagte sie dann. »Die nimmt uns keiner mehr weg!«
»Na, sieh mal einer an.« Lorenz nickte anerkennend. »Die junge Frau ist zu gebrauchen.«
7. Kapitel
Rita dehnte ausgiebig die Muskeln ihrer langen Beine. Sie war alleine auf dem kleinen Parkplatz. Der Herbstwald war an diesem Vormittag sehr kühl und feucht. Der Himmel war dunkelgrau und hob sich kaum von den Wipfeln der dicht gedrängt stehenden Nadelbäume ab. Paul musste jeden Moment da sein. Sie trafen sich, wenn es ihre Einsatzplanung irgendwie zuließ, mindestens einmal unter der Woche hier zum gemeinsamen Waldlauf. Heute freute Rita sich nicht so sehr wie sonst auf das Training. Sie überlegte, ob sie mit Paul offen sprechen sollte, und hasste sich dafür, dass sie überhaupt darüber nachdachte. Sie versuchte sich zurechtzulegen, was sie sagen könnte, und war damit noch nicht weit gekommen, als Pauls Wagen angerollt kam. Rita atmete tief durch und begrüßte Paul, als er ausstieg, mit einer Umarmung und einem eher flüchtigen Kuss. »Bist du fit?«, fragte sie. »Ich habe Lust auf Tempo.«
»Gerne«, grinste Paul. »Lass mich nur kurz aufwärmen.«
Sie machten gemeinsam noch einige Dehnübungen, dann liefen sie los. Erst ließen sie es ruhig angehen, um den richtigen Rhythmus zu finden. Paul erzählte das eine oder andere eher Belanglose vom Vortag, und Rita ertappte sich dabei, dass sie gar nicht richtig zuhörte. Irgendwann schreckte sie jedoch auf und fragte: »Was für einen Auftrag?«
Paul antwortete: »Antrag, mein Schatz, nicht Auftrag. Ich sagte, die Bullinger hat den Antrag abgelehnt, die letzten vier Raucher des Dezernats in ein Büro zusammenzulegen. Im Gebäude darf nicht geraucht werden, und so rennen die Kollegen zehnmal am Tag raus und arbeiten eine Stunde weniger als alle anderen.«
»Ach so«, meinte Rita.
Sie liefen eine
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