Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
– vielleicht. Der Tote könnte aber auch so drapiert worden sein, um das Auge des Betrachters von dem Loch abzulenken. Was hat denn der Dombaufritze gesagt, was in dem – in der Tumba – drin ist?«
Schmitz zuckte die Achseln. »Hm, da haben wir nicht drüber gesprochen. Ich glaube, die ist leer. Müsste da nicht eigentlich der olle Erzbischof drin sein?«
Rita nickte. »Würde ich auch vermuten, wenn ich es nicht genauer wissen müsste. Bitte klären Sie das.«
»Jawoll, Chefin.«
»Was haben wir sonst noch?«
»Das war’s eigentlich. Ach so: Die Putzfrau, die den Toten gefunden hat, hat quasi nichts sagen können. Sie sah die Leiche und rannte in Panik davon. Sie steht immer noch unter Schock. Und sonst? Ach ja: Entfernt oder beschädigt wurde offensichtlich nichts. Der Obduktionsbericht liegt auf Ihrem Schreibtisch, ebenso die Fotos vom Tatort und so weiter.«
»Sie meinten offenbar«, versetzte Rita.
»Wie?«
»Nun, es ist offenbar nichts entfernt worden. Offensichtlich scheint mir hier noch recht wenig zu sein.«
»Ach so«, meinte Schmitz. »Stimmt schon.«
»Okay«, meinte Rita. »Also: Ausschwärmen, Fakten sammeln, löchert die Kunsthistoriker, was es mit dem Tatort auf sich hat, sucht nach Parallelen, andere Tötungsdelikte mit vergleichbarer Stichwunde, ihr wisst schon.«
Als ihre Mitarbeiter bereits dabei waren, ihr Büro zu verlassen, rief sie noch hinterher: »Und möglichst schnell die Details von der Spurensicherung!«
»Kommt heute noch!«, rief Schmitz schon im Weggehen.
Als sich die Tür schloss, setzte Rita sich hin und blickte auf die vor ihr liegenden Akten, ohne jedoch etwas davon aufzunehmen. Sie dachte wieder daran, was die Männer vom LKA ihr eben gesagt hatten. Wieder stieg Zorn in ihr auf. Das Ganze kam ihr schmutzig vor, einfach nicht richtig. War ihre Karriere solche Winkelzüge wert? Gehörte das einfach dazu, wenn man weiterkommen wollte? Vielleicht wäre es besser, sich bis zur Pensionierung mit immer denselben Obduktions-und Spurensicherungsergebnissen, Verhören und Recherchen zu beschäftigen. Hier ein Pistolenschuss aus Eifersucht, dort einmal eine Schlägerei mit Todesfolge, hier nun einmal ein Mord im Dom. Vielleicht war die Leitung einer Sonderermittlungsgruppe Gewaltverbrechen im Grunde gar nicht so viel besser. Vielleicht war es aber auch Zeit für eine neue Herausforderung. Rita seufzte und nahm den Obduktionsbericht zur Hand.
6. Kapitel
Leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Durch die schmale Gasse, die vom Marktplatz zur Burg führte, zog ein kühler Wind. Bärbel Müllenmeister fror. Sie drückte sich gegen die Hauswand, um Schutz vor dem Regen zu finden. Ein Blick auf ihre Uhr sagte ihr, dass sie bereits zehn Minuten wartete. Bärbel fragte sich, wo Lorenz und Gustav blieben. Die beiden wollten sich hier mit ihr treffen, um den am Vortag wegen Gustavs Schwächeanfall abgebrochenen Besuch im Burgmuseum erneut anzugehen.
Bärbel musste plötzlich lächeln. Sie hatte sich einst geschworen, niemals wieder, aus welchen Gründen auch immer, auf einen Mann zu warten. Und jetzt stand sie hier, schaute auf ihre Armbanduhr und fragte sich, wo zwei Pensionäre blieben, auf die sie wartete.
Bärbel betrachtete den Nideggener Marktplatz. Hin und wieder hielt ein Auto vor der Sparkasse, jemand stieg aus, kam wenig später wieder und fuhr weiter. Ein Mann kam zu Fuß die Straße hinauf und betrat den Friseursalon gegenüber. Bärbel stand beim Rathaus. Man hätte es kaum erkannt, wenn nicht ein Schriftzug an der Fassade darauf hingewiesen hätte. Niemand kam heraus oder ging hinein, beinahe so, als ob es in dem Städtchen nichts zu verwalten gebe.
Bärbel zog ihre Jacke enger an den Körper. Als sie das letzte Mal so an einer Hausecke stehend auf einen Mann gewartet hatte, war sie noch keine fünfzig gewesen. Es war ihr vierter Ehemann gewesen – ein hübscher Kerl und viel jünger als sie. Er hatte ihr und ihren Kunststudenten Modell gestanden. Und er hatte neben seinem klassisch-schönen Körper auch eine Menge Charme, Intelligenz und Witz. Bärbel hatte geglaubt, genügend Reife zu besitzen, um die Situation zu genießen und alles unter Kontrolle zu behalten. Stattdessen verliebte sie sich Hals über Kopf, heiratete und verlor ihn irgendwann an eine Studentin. Später hatte sie erfahren, dass er mit dem Mädchen zusammen gewesen war, als sie an der besagten Hausecke auf ihn wartete. Das war kein Drama und kam sicher tausendfach vor. Trotzdem hatte Bärbel
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