Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
es war ein schaler Beigeschmack geblieben. Früher hätte niemand auch nur im Traum daran gedacht, ihm irgendetwas vorschreiben zu wollen. Erst recht nicht, wo er mit wem abends zusammensaß und wann er ins Bett ging. Selbst Maria hatte höchstens, wenn sie müde war und vor ihm schlafen ging, etwas gesagt wie »Kommst du auch gleich ins Bett?« oder »Mach nicht so lange, du musst morgen doch auch früh raus.« Was musste er sich hier gefallen lassen! Bärbel, ausgeglichen und moderat wie immer, fand, dass das Wichtigste war, dass sie sich gewehrt hatten und die Klinkenberg ihnen letztlich nichts vorzuschreiben hatte. Jedoch – allein der Versuch war eine Kränkung gewesen.
Lorenz atmete tief durch. Sein Sohn hatte darauf bestanden, dass er nach Marias Tod das Haus und den Garten nicht allein in Schuss halten konnte. Er hatte ihm sogar die Fähigkeit abgesprochen, sich selbstständig Brot und Butter kaufen und sich ernähren zu können. Und das Schlimmste war, dass der missratene Abkömmling recht hatte. Lorenz war mit dem plötzlichen Alleinsein nicht zurechtgekommen, das wusste er jetzt. Wie sollte er auch? Hatte er doch das Elternhaus verlassen, um mit seiner jungen Frau eine kleine Wohnung zu beziehen. Dann wurde das erste Kind geboren, später verdiente er mehr Geld, dann kam das zweite Kind, dann der Hausbau. Maria hatte alles im Griff gehabt. Ein halbes Jahrhundert brauchte er sich daheim um nichts zu kümmern. Alles funktionierte, immer legte man sich abends in ein gemachtes Bett, immer stand das Essen auf dem Tisch, irgendwie war es vorher eingekauft worden. Stets hatte Maria ihm das Gefühl gegeben, der große Lenker zu sein. Dabei war immer sie es gewesen, die die gemeinsame Existenz organisiert hatte.
Es hatte herbe Schicksalsschläge gegeben. Doch als Maria starb, hatte er nicht nur seine geliebte Frau verloren. Eigentlich war sein ganzes Leben, wie er es gekannt hatte, zu Ende und unwiederbringlich dahin.
»Nun sei mal nicht so theatralisch«, schimpfte Lorenz und drehte sich wieder auf die Seite, sodass er aus dem Fenster sehen konnte. Er legte einen Arm unter das Kopfkissen, um seine Haltung zu stabilisieren. Nach wenigen Sekunden begann der Arm taub zu werden. »Nimm mich mit, wenn du schon einschläfst«, sagte er in Gedanken zu seinem Arm, dann fielen ihm die Augen zu. Wie durch einen grauen Nebel sah er Maria auf sein Fenster zukommen. Sie stand auf dem Balkon und winkte. Er wollte aufstehen und zu ihr gehen, doch seine Glieder waren schwer wie Blei, und er konnte sich nicht erheben. Da lachte sie, und das Lachen war so hell wie das von Bärbel. Lorenz hob seine geschlossenen Lider etwas an und guckte hinüber zum Balkon. Er war leer.
14. Kapitel
Rita stand vor der Pinnwand, auf der die Fotos des Tatorts und einige Notizen in einen losen Zusammenhang gebracht worden waren. Sie betrachtete den toten Mönch auf dem Geländer, dann das Grabmal des Erzbischofs mit dem Loch am Sockel. Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Es fehlten offensichtlich noch die Informationen, die diese Elemente logisch verbanden. Rita hatte das Gefühl, einen ziemlich schlechten Tag zu haben. Sie las die Notizen ihres Ermittlungsteams zu dem ermordeten Pater. Keine Familie, keine Feinde, studierter Historiker in Diensten der Dombauverwaltung. Hatte er Kunstdiebe gestört? Vielleicht. Aber es war nichts gestohlen worden. War er Komplize gewesen? Unwahrscheinlich. Was war mit dem Loch in der Tumba?
»Schmitz!«, rief sie durch das Büro in Richtung ihres Mitarbeiters. »Was ist mit dem Loch in der Tumba des Erzbischofs?«
»Keine Ahnung«, war die Antwort. »Dazu kann mir niemand was Vernünftiges sagen.«
»Okay, danke.« Rita ging auf und ab. Dann fragte sie: »Haben wir die Nummer der Dombauverwaltung?«
»Klar. Ansprechpartner ist der Leiter des Dombauarchivs.«
»Ja, und?«
»Soll ich verbinden?«
»Ich bitte darum.«
»Mit dem Leiter?«
»Ja doch!«
Schmitz wählte eine Nummer. Während er wartete, sah er Rita mit Hundeblick an und meinte: »Tut mir übrigens leid – die Sache mit Paul, meine ich.«
»Was?« Rita nickte irritiert. »Ja, schon gut, danke.«
Als ihr kurz darauf Schmitz den Telefonhörer entgegenhielt, war sie mit dem Dombauarchiv verbunden. »Ein Dr. Hardering«, flüsterte Schmitz ihr zu.
»Guten Tag, Herr Dr. Hardering«, sagte sie. »Rita Bertold, Kripo Köln. Ich ermittle im Falle des getöteten Pater Dominik.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Hardering. »Ich hoffe, Sie kommen
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