Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
nicht sonderlich wählerisch. Und ohnehin musste er sich jetzt konzentrieren. In Gedanken ging er seinen Plan nochmals in allen Einzelheiten durch. Wenn es sehr schnell gehen musste, war es von Vorteil, auch mehrere eventuelle Szenarien vorauszudenken. Improvisation war in solchen Einsätzen gefährlich, aber nicht immer zu vermeiden.
Paul verließ die Autobahn 4 an der Abfahrt Düren. Im nächsten Moment ärgerte er sich, dass er die Lüftung des Wagens nicht ausgeschaltet hatte, denn es schlug ihm der unvermeidliche Gestank der Dürener Kläranlage entgegen. Er fluchte leise. Eigentlich kannte er das, zu oft war er hier schon gefahren.
»Jetzt ist es auch egal«, murmelte er und ordnete sich links ein. An der nächsten Ampel musste er stehen bleiben und sah auf die Uhr. Es war gleich halb neun. Als die Ampel auf grün schaltete, fuhr Paul gemächlich weiter. Er war sicherheitshalber etwas zu früh dran und hatte Zeit. Die Straße führte Richtung Düren. Links und rechts der Fahrbahn hockten Schwärme von Krähen auf dem Feld. Sie störten sich an dem dichten und lauten Verkehr auf der Schnellstraße offenbar nicht im Geringsten. Paul fragte sich, wo diese Riesenvögel sich den Sommer über versteckt hatten.
Wenig später hatte er den Verteilerkreis in Düren erreicht. Hier würde er auf seine Zielperson stoßen. Gemächlich ordnete er sich auf der rechten Spur ein und fuhr mehrere Runden um den Kreisverkehr. Dann hatte er in einer der kleineren Seitenstraßen eine Parkmöglichkeit entdeckt und manövrierte sich dort in eine Warteposition. Bei laufendem Motor stand er dort eine ganze Weile. Radio Rur meldete diverse Blitzer und Staus, danach wieder irgendwelche Musik. Paul schaltete das Radio ab. Er überprüfte seine Walther P99. Das Magazin war voll, die Waffe einsatzbereit. Nur zur Sicherheit, dachte er. Wenn er sie würde einsetzen müssen, wäre sein Plan vermutlich schon gescheitert. Paul musste grinsen bei dem Gedanken an einen besonders gelungenen Schachzug der nordrhein-westfälischen Polizei. Man hatte etliche Tausend Exemplare des Nachfolgemodells der P99 eingekauft, welches etwas größer war. Dann hatte man festgestellt, dass die Kollegen sich in vielen Einsatzwagen nicht mehr bewaffnet anschnallen konnten. Daraufhin wurde bei etlichen Fahrzeugen das Gurtsystem umgebaut, passend zu den größeren Waffen. Paul hatte seine wunderbar kompakte P99 behalten. Er steckte die Pistole ins Schulterholster.
Der Verkehr ließ etwas nach, es ging auf neun Uhr zu. Paul überlegte gerade, ob er das Radio für die Nachrichten wieder einschalten sollte, als er den großen schwarzen Citroen DS in den Kreisverkehr einbiegen sah. Er legte den ersten Gang ein, wartete den richtigen Augenblick ab und gab Gas. Der ungewöhnliche schwarze Wagen war der richtige, wie Paul mit einem schnellen Kontrollblick auf die dunklen Vorhänge in den hinteren Fenstern erkennen konnte. Es gab hier in der Gegend sicherlich nur einen als Leichenwagen umgebauten Citroen DS. Im nächsten Moment wechselte er scheinbar ungeschickt die Spur. Mit einem hässlichen Krachen kollidierten die Fahrzeuge, kreischend verkeilten sich Blechteile ineinander. Paul trat hart auf die Bremse, und es gab einen heftigen Ruck. Der Citroen schob Pauls Auto noch ein kleines Stück weiter, dann standen beide still. Der übrige Verkehr staute sich sofort. Unter missbilligendem Hupen schoben sich die anderen Autofahrer an der Unfallstelle vorbei, so gut es eben ging.
Paul stieg aus. Die Türen des Citroen öffneten sich, und heraus sprangen der Fahrer, der Beifahrer und ein dritter Mann aus dem Fond. Die drei warfen die Türen der verbeulten DS wütend zu und kamen auf Paul zu, ihn mit allerhand unverständlichen, aber offenbar nicht eben freundlichen Worten bedenkend.
Paul ging ihnen gemächlich entgegen. Er gab sich zerknirscht. Die Männer redeten wild gestikulierend auf ihn ein. Paul hörte gar nicht zu, sondern tat so, als ob er sich nur für den Schaden an den Autos interessierte. Wie zufällig kam er dabei dem Leichenwagen immer näher. Dann sprang er urplötzlich mit einem Satz zu dem Citroen, öffnete die hintere Tür, schlüpfte hinein, schloss die Tür wieder, verriegelte sie und hielt dem im Fond sitzenden Mann seine Walther an den Kopf. Keiner der Männer auf der Straße hatte sich bislang auch nur gerührt, als Paul zu dem Mann sagte: »Gospodin Slotin, es ist erschreckend einfach, Sie umzubringen!«
Der Mann sah Paul mit stechendem Blick an. Er
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