Altes Eisen - [Kriminalroman aus der Eifel]
identifiziert. Es handelt sich um einen gewissen Jacek Matuschyk. Er war Anführer einer polnischen Schieberbande. Keine großen Sachen. Aber er muss doch jemandem empfindlich in die Quere gekommen sein. Er wurde am Fundort erstochen, ein Stich mitten ins Herz, von unten nach oben mit einer scharfen Klinge ausgeführt. Professionelle Arbeit, würde ich sagen. Er wurde abends getötet, so etwa zwischen zehn und elf.”
Rita stutzte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dann meinte sie: »Sagen Sie, Frau Bullinger – normalerweise leiten Sie doch nicht persönlich die Ermittlungen in einem Mordfall.”
Die Bullinger atmete tief durch: »Also, wenn Sie meinen – wegen Paul …«
»Nicht doch«, unterbrach Rita. »Ich meine nur, Sie sind doch bestimmt nicht scharf darauf, diesen Fall persönlich zu bearbeiten?«
Jetzt horchte Klara Bullinger auf. »Wieso meinen Sie?«
»Ich habe hier in Köln einen Mordfall, bei dem vor wenigen Tagen ein Mann erstochen wurde – mit einem scharfen Messer, der Stich wurde von unten nach oben ins Herz geführt. Sie verstehen?«
»Selbstverständlich verstehe ich. Lassen Sie es mich mal so sagen: Ich klebe nicht an diesem Fall. Und wenn die Indizien einen Zusammenhang unterstützen, haben Sie den toten Polen gerne am Hals.«
»Das ist wunderbar«, sagte Rita. »Können Sie mir die Nummer des zuständigen Gerichtsmediziners geben? Ich setze mich mit ihm in Verbindung und stelle dann gegebenenfalls den Antrag auf Übertragung der Ermittlungen.«
»Gegenvorschlag«, erwiderte Klara Bullinger. »Ich übernehme das. Wenn die Staatsanwaltschaft Aachen diesen Antrag stellt, ist das in einer Stunde durch.«
»Okay, machen wir's so«, sagte Rita erleichtert.
Als sie den Hörer aufgelegt hatte, atmete sie tief durch. Zwei kurze Telefonate hatten einiges ins Rollen gebracht. Vielleicht war es doch gar kein so schlechter Tag.
15. Kapitel
Lorenz stocherte in seinem Rührei herum. Er war gegen seine Gewohnheit sehr früh in den Speisesaal gegangen. Das Bett war ihm schon vor sieben Uhr unerträglich geworden – vermutlich weil er den gestrigen Freitag fast komplett darin verbracht hatte. Nun wunderte er sich, wie viele seiner Mitbewohner bereits beim Frühstück saßen. Lorenz sah sich um. Der Speisesaal war wie ein großer Wintergarten gebaut, von dem aus man fast den gesamten zur Seniorenresidenz gehörenden Park überblicken konnte. Er hatte sich an einen Tisch am Rand des Saals gesetzt, direkt an der großen Glasfront. Er hatte gehofft, so ein wenig mehr Licht zu erhaschen, welches seine Seele etwas erhellen könne. Doch dieser Morgen verhöhnte ihn mit dunklen Wolken, die sich über Nideggen entleerten. Ein heftiger Wind ließ dicke Regentropfen gegen die Scheibe klatschen und bog die Zweige der Bäume im Park auf seltsame Weise in eine Richtung. Es kam Lorenz so vor, als wiesen sie alle auf ihn und raunten sich zu: »Jetzt sitzt der auch da.«
Lorenz brummte unwillig und nahm eine Gabel voll Rührei. Als er aufblickte, bemerkte er eine Mitbewohnerin, die mit langsamen, unsicheren Schritten an ihm vorbeiging, vielleicht auf der Suche nach einem Sitzplatz. Sie hielt einen leeren Teller und eine Scheibe Brot in der Hand. Als sie sah, dass Lorenz sie beobachtete, fragte sie: »Schau mal, ist das nicht ein riesiges Loch im Brot?«
Lorenz murmelte leise: »Der alte Kommissar wusste nicht, was diese Frage zu bedeuten hatte, aber vermutlich gab es da auch nichts von Bedeutung.«
Die Frau achtete gar nicht auf sein Gemurmel. Sie blieb vor seinem Tisch stehen: »Die Brotscheiben haben hier alle immer riesige Löcher. Das ist doch nicht richtig. Das ist Betrug.«
Lorenz knurrte: »Altes Mädchen, dann nimm dir doch einfach gleich zwei Scheiben!«
Sie schaute ihn verwundert aus großen Augen an und erwiderte: »Das nützt doch nichts. Sie sind alle gleich, die anderen sind auch nicht besser – es ist wie mit den Männern.«
Lorenz atmete tief ein und wieder aus. Er überlegte sich, ob er dazu etwas sagen sollte, doch die Frau war bereits weitergegangen und streckte dem nächsten Mitbewohner anklagend ihre Brotscheibe entgegen: »Nun schaut euch mal diese Brotscheibe an.«
Lorenz murmelte: »Kommissar Wollbrand hatte die Gabe, nur das zu hören, was er hören wollte, und das genau. Und an dieser Stelle schaltete er seine Aufmerksamkeit ab.«
Lorenz sah missmutig hinaus in den verregneten Morgen. Sein Kaffee war inzwischen kalt geworden. Er stand auf und sah sich suchend im Speisesaal um.
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