Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
ihr Lager für die Nacht aufschlugen. Wenn sie durstig waren, befeuchteten sie ihre Lippen mit ein paar Tropfen aus ihren Wasserschläuchen oder schnitten einen kleinen Schlitz in den Hals einer der Kühe, um ihre Lippen darauf zu pressen, aber die Sklavinnen hatten keine Wasserschläuche, und der Geruch frischen Blutes verursachte den meisten Übelkeit.
»Um der Liebe der Göttin Erde willen, Schwester, gib uns einen Schluck zu trinken«, flehten sie Marrah an, doch wenn sie sich von ihrem Pferd beugte und den Dürstenden aus ihrem Wasserschlauch zu trinken geben wollte, streckte der bewaffnete Krieger, der immer neben ihr herritt, blitzschnell den Arm aus und schlug den Becher weg, bevor sie ihn an die Lippen setzen konnten. Dalish warnte sie, wenn sie weiterhin versuchte, den Sklavinnen zu helfen, würde sie zur Strafe mit ihnen marschieren müssen, aber Marrah machte störrisch weiter, und sie verdankte es nur Dalishs Überredungskünsten, daß sie nicht entkleidet und hinuntergestoßen wurde, um elend mit den anderen zu sterben.
Dank Dalishs Lügen war Marrah die Tante des Sohnes eines Helden, und während die Frauen von Shambah litten, war sie gezwungen, hoch über ihnen zu sitzen und ihr Elend mitanzusehen. Sie konnte nicht mehr tun, als Akoah am Leben zu erhalten, indem sie dafür sorgte, daß sie Essen und Kleidung bekam und nachts nicht zu den Lagerfeuern geschleppt wurde, aber abgesehen davon war sie machtlos. In ihren dicken wollenen Kleidern eingesperrt, sah sie die Welt nur durch einen schmalen Augenschlitz in ihrem Schal, doch was sie sah, beschämte sie, und manchmal, wenn die Frauen weinend um Wasser bettelten, ertappte sie sich dabei, wie sie wünschte, sie wäre ebenfalls an dem Fieber gestorben oder getötet worden wie die Kapitänin des Raspas. Doch dann erinnerte sie sich jedesmal daran, wie sehr Arang sie brauchte, und sie zwang sich, energisch die Schultern zu straffen. Sie packte die Zügel mit fester Hand und versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, wie sie die Geschenke benutzen konnte, die ihr die Priesterinnen von Nar gemacht hatten. Sie konnte die Frauen von Shambah nicht retten, indem sie mit ihnen starb. Es war ihre Pflicht, lange genug zu überleben, um ihnen zur Flucht zu verhelfen.
Wenn das Gejammer der Frauen nach Wasser die schlimmste Tortur für Marrah war, dann kamen die Pferde gleich an zweiter Stelle. Reiten war eine unbequeme, knochenzermürbende Erfahrung, die sowohl sie als auch Arang zu Anfang seekrank gemacht hatte. Obwohl die Nomaden manchmal eine Art Sattel aus Leder benutzten, ritten sie gewöhnlich auf dem bloßen Rücken der Tiere und lenkten sie durch lange Lederriemen, die an einem Geschirr aus Hirschhorn und einem zweiteiligen hölzernen Apparat befestigt waren, der sich Gebißstange nannte und den Tieren ins Maul geschoben wurde. Eigentlich sollte man ein Pferd führen, indem man leicht an den Zügeln zog und ihm die Fersen in die Seiten drückte, aber die Tiere schienen zu spüren, daß Marrah und Arang keine Ahnung hatten, was sie taten, und es machte ihnen offensichtlich Spaß, sie abzuwerfen.
Bald hatte Marrah den Trick heraus, ihr Pferd zum Stehen zu bringen, bevor es Schaden anrichten konnte, aber Arangs Beine waren zu kurz, um einen Pferdebauch zu umklammern, und er fiel wieder und wieder herunter. Jedesmal, wenn dies passierte, zügelten die Krieger ihre Pferde, und ein unheilverkündendes Schweigen breitete sich aus, während sie darauf warteten, daß er wieder aufstieg. Der Ausdruck des Abscheus auf ihren Gesichtern machte Marrah angst. Sie vergaß niemals Dalishs Schilderung, wie Slehan es genossen hatte, seinen Hengst zu kastrieren, und sie lebte in der ständigen Furcht, Arang könnte die Männer zu Gewalt provozieren. Es waren siebzig insgesamt, alle schwer bewaffnet, und Arang war zu oft der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Aber er war jung und dickköpfig und wütend darüber, als Feigling beschimpft worden sein, und seine Wut machte ihn trotzig.
»Ich hasse reiten«, schrie er, als er das zweite oder dritte Mal vom Pferd fiel. »Im Namen der Göttin, Marrah, laß mich wenigstens hinter dir sitzen, damit ich mich an dir festhalten kann. Dieses verfluchte Biest, das sie mir gegeben haben, versucht mich umzubringen.« Er starrte böse auf das Pferd, das friedlich Gras rupfte. Die Nomaden begannen sich um ihn zu versammeln, aber keiner saß ab.
Dalish zügelte ihre Stute. »Schwing dich wieder auf dein Pferd«, wies sie ihn ruhig an. »Ein
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