Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
betrifft – ich kann die Männer nicht davon abhalten, sie zu vergewaltigen, aber ich werde tun, was in meiner Macht steht, um sie zu überreden, das Mädchen zu ihrer Konkubine zu machen statt zu einer Sklavin; auf diese Weise wird sie nur einem Mann gehören statt dem ganzen Haufen. Als Konkubine sollte sie eine ganze Weile leben, vielleicht sogar lange genug, um mich zu verfluchen, weil ich sie gerettet habe.«
»Wir werden fliehen, bevor diese Kerle sie wieder anfassen können«, erwiderte Marrah grimmig. »Ich schwöre, daß wir das tun werden.«
Dalish behielt ihr Lächeln bei, aber in ihren Augen schimmerten Tränen. »Meine liebe Schwester, glaubst du, ich wäre nicht schon vor langer Zeit geflohen, wenn Flucht möglich wäre? Du kennst diese Nomaden noch nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weit weg von zu Hause sie dich bringen werden oder wie sehr du leiden wirst. Du bist eine Frau, und du bist stolz darauf, doch in ihrem Land sind Frauen weniger wert als Pferde, und ein kleines Mädchen ist überhaupt nichts wert. Bete zu der Göttin, daß sie dich mit einem Mann verheiraten, der etwas weniger brutal als der Rest ist. Es ist das Beste, worauf du hoffen kannst.«
»Was ist mit dir? Du wirkst ziemlich unabhängig.«
»Tatsächlich? « Dalish schüttelte traurig den Kopf. »Das bin ich nicht. Nachts liege ich mit Slehan dem Narbengesicht und tue, was immer er befiehlt, und wenn er mich einem seiner Freunde überläßt, wie er es häufig tut, gebe ich vor, mich geehrt zu fühlen. Ich bin nichts weiter als seine Konkubine, und wenn ich nicht so nützlich wäre, hätten mich seine Ehefrauen schon vor langer Zeit vergiftet.«
Sie raffte ihren Schal zusammen und eilte zu den Kriegern, um ihnen die Geschichte von Arang zu erzählen, dem Sohn Achans, und seiner demütigen Tante, Marrah.
Nicht lange danach hielten sich Marrah und Arang fest umschlungen und weinten, teils aus Furcht, teils aus Freude.
»Ich dachte, du wärst tot«, flüsterte Arang, als er Marrah auf die Wange küßte und ihr Gesicht berührte. Der narbengesichtige Krieger schien angewidert beim Anblick von Arangs Tränen. Er schnaubte verächtlich und ging kopfschüttelnd davon.
»Lathak«, knurrte er, und der braunbärtige Mann nickte. Das Wort hatte einen häßlichen Klang.
Arang wandte sich an Dalish. »Was hat er gesagt?«
Dalish übersetzte. Das Wort bedeute »Feigling«, erklärte sie ihm, und wenn er es nicht jeden Tag seines Lebens hören wollte, dürfte er nie wieder weinen – zumindest nicht, wenn ihn einer der Männer sehen könnte. »Du kannst von Glück reden, daß sie glauben, du wärst gerade erst zehn Jahre alt.« Sie zeigte auf Slehans Pferd. »Ein Mann, der gelegentlich weint, endet wie dieses Tier. Früher war es ein Hengst, aber jetzt wirst du feststellen, daß ihm etwas Wichtiges fehlt.« Sie warf einen ängstlichen Blick auf die beiden Krieger, die auf einem Baumstamm saßen, während sie Arang anstarrten und sich leise unterhielten. »Slehan hat ihn eigenhändig mit seinem eigenen Dolch kastriert, und ich glaube, er hat den Vorgang ziemlich genossen.«
14. KAPITEL
Mehrere Wochen lang waren Marrah und Arang gezwungen, zu Pferd nach Osten zu reisen, während Akoah und die unglücklichen Frauen aus Shambah neben ihnen hertrotteten. Die Sklavinnen – denn so wurden die Frauen jetzt genannt – waren einst Priesterinnen und Bäuerinnen, Töpferinnen, Mütter, Händlerinnen, Tischlerinnen und Jägerinnen gewesen, aber die Nomaden behandelten sie nicht weniger grob als die Rinder, die sie ebenfalls nach Osten trieben, und wie die Rinder, so starben auch viele Frauen. Die Glücklichen wurden vom Fieber dahingerrafft; andere, besonders Mütter, die ihre Kinder verloren hatten, starben vor Kummer; doch die meisten starben an Erschöpfung. Nachts schleppten die Krieger die Überlebenden von Lagerfeuer zu Lagerfeuer und zwangen sie zum Geschlechtsverkehr, bis sie krank vor Scham und Schlafmangel waren. Im Morgengrauen begann der Marsch erneut, im Tempo der Geschwindigkeit der Pferde und Rinder angepaßt, nicht der der Menschen. Die Sklavinnen waren gezwungen, mit der Karawane Schritt zu halten, und wenn eine zurückfiel, wurde sie mit Schlägen vorwärtsgetrieben.
Selbst jene, die mit guten Sandalen und robuster Kleidung aufgebrochen waren, hatten bald nur noch Lumpen am Leib, die wenig Schutz vor der Sonne boten. Die Krieger ritten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, legten nur selten eine kurze Rast ein, bis sie
Weitere Kostenlose Bücher