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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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jemand, bereit, Alarm auszulösen, wenn sie auch nur den Blick in Richtung der Freiheit der Steppe hob. Sie arbeitete, bis sie halb betäubt vor Erschöpfung war, und jedesmal, wenn sie einen Korb voller Mist zurückbrachte, begrüßte Timak sie mit einem grimmigen Lächeln, einem Schimpfwort und einer Ohrfeige. Später lernte Marrah, daß es traditionell üblich für die erste Ehefrau war, jede neue Frau zu schikanieren, die ihr Ehemann ins Zelt brachte, und daß Timak nach den Maßstäben der Hansi noch fast freundlich mit ihr umsprang.
    Die Zeit verging. Während Marrah sich damit beschäftigte, die Pferdeäpfel zum Trocknen auszubreiten, wie Timak ihr befohlen hatte, machte sie sich Sorgen um Arang. Sie hatte ihn seit dem Tag davor nicht mehr gesehen, und als die Sonne tiefer und tiefer über dem riesigen, flachen Horizont sank, fürchtete sie schon, Changar hätte ihm die Kehle aufgeschlitzt, so wie er es bei den Pferden getan hatte. Es war ein schreckliches Bild, und sie tat ihr Bestes, es aus ihrem Kopf zu verdrängen, aber sie hatte bereits zuviel Gewalt erleiden müssen, um zu friedlichen Gedanken fähig zu sein.
    »Süße Göttin«, flehte sie leise, »laß Arang sicher zurückkommen.« Aber es wurde immer später, und Arang kam nicht, und ihre Angst wuchs, bis noch nicht einmal mehr Timaks Drohungen und gebrüllte Befehle sie davon abhalten konnten, jedesmal aufzuhorchen, wenn sie das Hufgetrappel eines näherkommenden Pferdes hörte.
    Kurz vor Sonnenuntergang erschien Arang dann endlich, während er langsam zwischen den langen Schatten der Zelte dahintrottete. Er war mit Hansi-Beinlingen und einer gegürteten Tunika bekleidet, kunstvoll mit Sonnen und Sternen bestickt, doch beim Anblick seines Gesichts schrie Marrah auf und rannte ihm entgegen, um ihn in die Arme zu nehmen.
    »Nicht! Du darfst mich nicht umarmen, wenn uns die Nomaden beobachten«, bat er und stieß sie mit zitternden Händen von sich. Er setzte sich neben den Mistkorb auf den Boden und blickte sie an, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Seine Wangen waren mit blutigen Narben bedeckt, und man hatte ihm auch noch den Rest seines Haares abgeschnitten. Er sah verletzlich aus, völlig verwirrt und sehr jung.
    Eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander. Schließlich begann Marrah zu sprechen. »Was haben sie mit deinem Gesicht gemacht?« Sie hob eine Hand, um ihn zu streicheln, und hielt gerade noch rechtzeitig inne. Er hatte recht. Die Nomaden tauschten niemals irgendwelche Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit aus. Soweit sie wußte, konnte schon eine Umarmung mit Schlägen bis zur Bewußtlosigkeit bestraft werden.
    Arang berührte seine linke Wange, zuckte zusammen und blickte sich ängstlich um. »Sie haben mir Achans Clanzeichen eintätowiert.« Seine Stimme zitterte. » Changar hat mir die Zeichen mit der Spitze seines Dolches eingeritzt, und ich glaube, er hat versprochen, ich würde mehr davon bekommen, sobald ich volljährig werde, aber ich bin mir nicht sicher. Dalish war nicht da, um zu dolmetschen.«
    »O Arang, das ist ja furchtbar!«
    »Das war es. Aber ich habe nicht geweint. Ich konnte nicht.« Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Ich glaube, wenn ich geweint hätte, hätten sie mich getötet.« Er zog die Beine hoch und schlang fest die Arme um die Knie, als suchte er Schutz, wie eine kleine Schildkröte, die sich in ihren Panzer zurückzog.
    Marrah hatte solch großes Mitleid mit ihm, daß sie ihre eigenen Sogen für einen Moment vergaß. »Du armer Junge. Es muß furchtbar weh getan haben. Sieh dich doch nur an – das ganze Gesicht voller Schnitte, und keiner davon sauber. Ich glaube sogar, sie haben Holzkohle benutzt!« Sie griff nach ihrem Medizinbeutel, »Wir müssen sofort einen Umschlag mit Kamille auf die Wunden legen, bevor sie zu eitern anfangen!«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Was soll das heißen, nein? Sei nicht albern. Willst du, daß dir das Gesicht abfällt?«
    »Es ist nicht nur mein Gesicht.«
    »Was meinst du?«
    »Sie haben noch etwas anderes mit mir angestellt.«
    »Was? «
    Zu ihrer Überraschung wollte er es ihr nicht sagen.
    »Arang, bitte sag es mir. Ich bin doch deine große Schwester. Ich liebe dich. Was immer sie getan haben, es war nicht deine Schuld.«
    Arang senkte den Kopf und wandte beschämt den Blick ab. Nach und nach gelang es Marrah, ihn zum Sprechen zu bringen, und er berichtete ihr stockend, daß Changar ihm eine Art von Trank gegeben hatte, der

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