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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Jetzt lagen Timak und Hiknak dicht daneben, horchten auf Marrahs Proteste und Vlahans Befehle. Obwohl Marrah gehofft hatte, Arang würde bei ihnen leben, war sie dankbar, daß Zuhan darauf bestanden hatte, ihn in sein eigenes Zelt zu nehmen. Arang kam nicht sonderlich gut mit Zulike aus – aber wer konnte das schon? –, doch sie hatte nicht das Recht, ihn so zu schikanieren, wie Timak Marrah quälte, und außerdem war Arang nur nachts im Zelt. Während des Tages nahmen ihn Zuhans Krieger mit in die Steppe, um ihm beizubringen, wie ein Mann zu reiten und zu jagen.
    Manchmal vergingen mehrere Tage, bevor Arang wieder Gelegenheit fand, seine Schwester zu besuchen. Wenn er kam, dann war es für Marrah wie eine Art Festtag. Timak und Hiknak pflegten sich bei solchen Gelegenheiten rar zu machen, und Marrah hatte Zeit, sich zu setzen und zu hören, was Arang erlebt hatte. In der Hauptsache lernte er, einen Speer zu werfen und Pfeile von einem galoppierenden Pferd aus abzuschießen, was für ihn ein Vorgeschmack dessen war, wie die Hansi-Hölle sein mußte.
    »Ich mag Bogenschießen, wenn ich beide Füße fest auf dem Boden habe, aber wenn ich auf dem Rücken eines dieser verfluchten Biester sitze, kann ich nicht richtig zielen, und ich falle jedesmal beinahe herunter. Wovor ich wirklich Angst habe, ist, daß mich Vlahan und die anderen eines Tages auf einen Überfall mitnehmen und von mir erwarten, jemanden zu töten.«
    Manchmal gingen sie hinaus zum Rand des Lagers, dorthin, wo das hohe Gras anfing, und wenn sie sicher sein konnten, daß weder Changar noch sonst irgend jemand in der Nähe war, legte Arang seinen Kopf in Marrahs Schoß, und sie streichelte sein Haar. Ein oder zweimal sangen sie sogar leise Sabalahs Lied, und wenn sie geendet hatten, waren ihre Augen feucht vor Tränen.
    Aber im Laufe der Wochen schien Arang reservierter zu werden. Einmal kam er mit einer Quetschwunde auf der Stirn zu ihr, und als Marrah fragte, woher er sie hätte, verweigerte er ihr eine Antwort. Als sie ihm keine Ruhe ließ, fauchte er sie an. »Ich dachte, es wäre vielleicht eine nette Idee, wenn ich für Zuhan tanzen würde, aber Zuhan gefiel mein Stil nicht. Meine besten Rückwärtssaltos und elegantesten Schritte entsetzten ihn, und als ich fertig war, ließ er mich zur Strafe von einem seiner Krieger verprügeln. Bist du jetzt zufrieden?«
    Ein anderes Mal wollte sie wissen, ob er Stavan jemals gesehen hätte, und er schenkte ihr ein verbittertes Lächeln. »0 ja, ich sehe meinen lieben Aita ständig, und wenn Timak dich jemals zu den Weiden gehen ließe, wo sie ihre Pferde halten, würdest du ihn auch sehen. Er lebt bei den Herden. Er scheint mich nicht zu erkennen –weder mich noch sonst jemanden. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist, aber ich glaube, er hat den Verstand verloren. Die Krieger fürchten sich alle vor ihm; sie sagen, er sei votok.« Und als Marrah fragte, was das Wort bedeute, erklärte er ihr, daß die Männer Angst hätten, Stavan sei von Dämonen besessen.
    Arang lernte schnell Hansi – sehr viel schneller als Marrah –, und er lernte auch andere Dinge. Eines Morgens schob Timak die Zeltklappe zurück und steckte den Kopf heraus, um Marrah unflätig zu beschimpfen, als Arang gerade herbeikam. Er fing an zu laufen und schrie Timak dabei etwas auf hansi zu, worauf Timak mitten im Satz erstarrte und schleunigst wieder im Inneren des Zehs verschwand. Als er vor Marrah stehenblieb, grinste er von einem Ohr zum anderen.
    »So, ich schätze, das wäre erledigt.« Er setzte sich bequem auf einen umgestülpten Korb. »Ich bezweifle, daß sie uns heute morgen noch einmal belästigen wird.«
    »Was hast du zu ihr gesagt? «
    »Ich habe ihr gesagt, wenn sie nicht sofort in ihrem Zelt verschwände, würde ich sie verprügeln.«
    »Arang, wie konntest du! Sie ist alt genug, um eine Dorfmutter zu sein. Wie konntest du sie so respektlos behandeln?«
    »Sie ist nichts weiter als eine gemeine alte Frau.« Arang zuckte die Achseln. »Und hübsch ist sie auch nicht. Zuhan hat mir gesagt, ich habe das Recht, jede Frau herumzukommandieren, wie ich will, sogar Zulike.« Er blickte seine Schwester nachdenklich an. »Und sogar dich.«
    »Versuch's nur, und dann wirst du schon sehen, wie weit du damit kommst, du frecher Bengel.« Sie mußte ihn unbedingt hier herausschaffen, bevor Zuhan einen Hansi-Krieger aus ihm machte. Sie waren dabei, sein sanftmütiges Wesen zu verderben. Arang wehrte sich zwar dagegen, aber er war erst

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