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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Ellenbogens in die Haut, so daß Arang ebenfalls in den Becher blutete. Arang zuckte zusammen, gab jedoch keinen Laut von sich. Seine Augen wurden groß und seine Lippen blaß, aber er ließ sich nicht unterkriegen, und Marrah war stolz auf ihn.
    Changar reichte den Becher wieder Zuhan, und Zuhan trank und übergab ihn erneut Arang. Wieder zwang Arang sich, seinen Ekel zu überwinden und einen Schluck Blut zu trinken, und als er es tat, jubelten die Zuschauer.
    »Achan! Zuhan!«
    »Zuhan! Achan! «
    »Han, Han, Han!«
    Die Trommeln griffen den Rhythmus auf, die Jubelrufe formierten sich zu einem Sprechchor. Zuhan erhob sich von seinem Platz, umarmte Arang und küßte ihn feierlich auf beide Wangen.
    »Hansi!« riefen die Nomaden überschwenglich. »Hansi! Hansi! «
    Arang sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Er wandte sich zu der Menge um und versuchte zu lächeln, doch seine Lippen zitterten. Die Zuschauer schienen es nicht zu bemerken, oder wenn sie es bemerkten, dann kümmerte es sie nicht. Sie schrien nur unentwegt das Wort »Hansi«, bis Marrah sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Arang war jetzt einer der Ihren – ob er es wollte oder nicht.
    Danach erwartete Marrah weitere Schrecken, aber zu ihrer unaussprechlichen Erleichterung passierte nichts mehr. Vielleicht hatte Zuhan die Idee, sie mit Vlahan zu verheiraten, doch wieder aufgegeben, oder vielleicht war sie in all der Aufregung auch einfach vergessen worden, auf jeden Fall achtete niemand mehr auf sie. Die Aufnahmezeremonie ging noch eine Weile weiter, und dann hörte das Trommeln unvermittelt auf, und die Menge begann sich zu zerstreuen. Arang war von einer Gruppe von Gratulanten umringt; hauptsächlich Männern, aber es waren auch einige ältere Frauen darunter, die ihn auf die Wange küßten, wie Zuhan es getan hatte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollten sie Marrah nicht in Arangs Nähe lassen, doch da ihm keine unmittelbare Gefahr zu drohen schien, entspannte sie sich. Nach einer Weile erschienen Frauen mit Schläuchen voll gekühlten
kerseks,
und die Krieger bedienten sich. Es sah aus, als würde das Trinkgelage die ganze Nacht über dauern.
    Marrah wartete geduldig, während sie so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen versuchte, und als der Himmel die Farbe ausgebleichter Knochen angenommen hatte, ging sie zurück zum Lager inmitten einer großen Menge tanzender, singender Frauen. Es war immer noch hell genug, um zu sehen, aber einige von ihnen trugen kleine Talglichter, die in der Dämmerung flackerten. Der Wind war abgeflaut, der Staub hatte sich inzwischen gesetzt, doch die Tänzerinnen wirbelten ihn wieder auf.
    Nachdem die Adoptionszeremonie vorüber war, fühlte sich Marrah wieder etwas zuversichtlicher. Das Abschlachten der Pferde war zwar grauenhaft gewesen, und Arang war gezwungen worden, widerwärtige Dinge zu tun, aber er hatte alles unbeschadet überstanden, und sie ebenfalls. Keiner von ihnen war tot oder mit einem Fremden verheiratet. Im Land der Nomaden war das mehr, als sich ein Mensch erhoffen konnte.
    Sie ließ ihren Blick über das hohe Gras und den blassen Himmel schweifen. Die Steppe strahlte einen gewissen Frieden aus, besonders kurz nach Sonnenuntergang. Alles schien den Atem anzuhalten und darauf zu warten, daß die Sterne sichtbar wurden. Zu ihrer Linken drängte sich eine kleine Schafherde zu einem wolligen Ball zusammen.
    Ganz plötzlich begriff Marrah, warum es so still war. Die Frauen hatten zu singen aufgehört. Das ist ja merkwürdig, dachte sie, doch bevor sie begriff, was vorging, ertönte unvermittelt lautes Hufgetrappel, und die Frauen rechts und links von ihr rannten in alle Richtungen davon. Eine andere Warnung gab es nicht. Erschrocken blickte Marrah auf und sah einen Krieger vor sich aufragen, und noch bevor sie auch nur schreien oder weglaufen konnte, hatte er sie gepackt und auf sein Pferd gezerrt. Er war ein großer Mann Ende Zwanzig, rotbärtig, mit langem braunen Haar, einer flachen Nase, fleischigen Wangen und einem grausamen, sinnlichen Mund.
    Sie schrie und wehrte sich mit aller Kraft, als er sie an sich zog, doch er blickte sie amüsiert an. Er war stark, und seine Finger gruben sich wie scharfkantige Steine in ihre Schultern. »Cagk!« befahl er, und bei dem Klang des Wortes, von dem sie inzwischen wußte, daß es »gib auf« und »ergib dich« bedeutete, wurde Marrah halb wahnsinnig vor Wut.
    »Laß mich los!« schrie sie, aber sie war ihm hoffnungslos

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