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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Furcht zu empfinden, wie es zuvor gewesen war, brachte ihr der Gedanke an Tod Frieden. Sie und Dalish und Akoah glaubten nicht an ein Leben nach dem Tode, wie es die Nomaden taten, aber sie glaubten auch nicht an die Hölle. Sie würden vielleicht einige Augenblicke lang unerträglichen Schmerz erdulden müssen, während Changar sie strangulierte, doch dann würden sie zur Erdenmutter heimkehren. Sie würden wieder in ihrem Mutterschoß schlafen, so friedlich wie Samenkörner oder ungeborene Kinder, und wenn ihre Seelen auf die Erde zurückkehrten, würden sie frei von jeder Erinnerung an Leiden sein.
    Marrah beobachtete, wie die Schatten des Feuers über die Zelt-wand flackerten. Sie erinnerten sie an die tanzenden Tiere in den Höhlen von Nar. Wie unendlich lange das schon her schien! Nächstes Mal werde ich vielleicht als Reh oder als eine Blume oder ein Vogel wiedergeboren werden, dachte sie, und sie stellte sich vor, wie sie über dem Meer der Grauen Wogen dahinschwebte und auf Xori hinabblickte. Lebe wohl, Mutter. Lebt wohl, liebe Freunde. Lebt wohl, Onkel Seme, Urgroßmutter Ama. Ich wollte immer zu euch zurückkehren, aber jetzt sieht es so aus, als würde ich euch niemals wiedersehen.
    Die Schatten tanzten weiter, und Marrah fuhr fort, sie zu beobachten. Allmählich entspannte sich ihre Hand und glitt aus Dalishs, aber Dalish, die eingeschlafen war, merkte nichts davon.
    Draußen auf der Steppe waren die Nomaden damit beschäftigt, die fünfzig Pferde zu töten und auszuweiden, die ausgestopft und um Zuhans Grab herum aufgestellt werden sollten. Haufen blutiger Eingeweide lagen dampfend in der Kälte. Ein halbes Dutzend Frauen knieten im Schlamm, während sie die Lebern herausschnitten und das Fettgewebe von den Herzen lösten. Die Pferdeinnereien würden einen reichhaltigen Eintopf ergeben, einen, der den Kriegern die Kraft geben würde, Zuhan angemessen zu betrauern.
    Nicht weit davon entfernt arbeiteten die Krieger bei Fackelschein weiter am Bau der Grabkammer. Es schneite jetzt stärker, deshalb waren mehrere Zelte abgebaut und über das breite Loch gespannt worden, um ein Dach zu bilden. Unter dem ledernen Himmel waren die Steinwände der Grabkammer bereits zur Hälfte fertig. Frauen schrubbten schon den Boden der Grabkammer mit Asche und kaltem Wasser, während knapp über ihren Köpfen junge Männer Pfähle in den halbgefrorenen Boden schlugen. Jeder Pfahl war eine Zeltstange, unter großen Opfern gespendet, weil Eiche fast so kostbar wie Gold war. Wenn die Männer fertig waren, würden die Pfähle einen Ring um das offene Grab bilden. Es waren dreizehn insgesamt: neun für Zuhans Hansi-Sklavinnen, zwei für seine Konkubinen, einer für Vlahans untreue Ehefrau und einer – der stärkste – für Stavan.
    Die jungen Männer überlegten sorgfältig, bevor sie einen Pfahl in den Boden schlugen. Sie mußten genug Platz lassen, damit Changar zwischen dem Opfer und dem Rand des Grabes stehen konnte, aber wiederum nicht so viel Platz, daß der Leichnam getragen werden mußte. Wenn Stavan und die Frauen losgeschnitten wurden, sollten sie anmutig in das Grab des Großen Häuptlings fallen, nicht zu Boden plumpsen wie Kühe, die von irgendeinem ungeschickten Hütejungen abgestochen worden waren. Die Männer inspizierten den möglichen Standort jedes Pfahls von allen Seiten. Changar war in dieser Hinsicht sehr eigenwillig, und niemand wollte ihn beleidigen.
    Marrah erwachte mit einem Ruck und stellte fest, daß das Licht des neuen Morgens durch das Rauchabzugsloch hereinströmte. Dalish und Akoah lagen noch schlafend zu ihren beiden Seiten, Akoah zu einem verkrampften, furchtsamen Ball zusammengerollt, Dalish entspannt ausgestreckt, mit dem Kopf auf ihrem Schal. Eine dünne Schicht von Pulverschnee war unter dem Zeltrand hindurchgeweht, und das Feuer war völlig niedergebrannt.
    Marrah setzte sich vorsichtig auf. Sollten Dalish und Akoah ruhig noch eine Weile weiterschlafen. Heute war kein Tag, um sie früh zu wecken. Sie atmete tief die frostkalte Luft ein und ließ sie wieder aus ihren Lungen entweichen. Ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen in der Kälte. Heute werde ich sterben, dachte Marrah und blickte sich in dem Zelt um, während sie sich alles ins Gedächtnis einprägte: die Sonnensymbole auf den Teppichen, die primitiv modellierten Töpfe, den ledernen Wasserschlauch, der wie eine Schlange neben einer der Zeltstangen zusammengerollt lag. Niemals zuvor war ihr das Leben so süß erschienen oder so

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