Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
alle viere nieder und begann, durch den Schnee zu kriechen, Marrah und Arang folgten ihm. Es war keine angenehme Fortbewegungsart, doch obwohl der Schnee in ihre Fausthandschuhe drang und ihre Hände taub vor Kälte machte, fühlte sich Marrah so dicht am Boden weniger angreifbar. Schließlich hielten sie inne. Die Pferde befanden sich jetzt direkt vor ihnen, bildeten lose Grüppchen in zwei kleinen Herden. Einige hatten den Schnee beiseite gescharrt, um an das verdorrte Gras heranzukommen, andere schienen zu schlafen. Marrah konnte ihre Beine nicht deutlich erkennen, aber sie wußte, die Krieger mußten ihnen die Vorderfüße gefesselt haben, sonst hätten sie sich weiter auf dem Gelände verteilt.
Als sie die Tiere zählte, verließ sie der Mut. Es waren insgesamt neun, was bedeutete, daß jeder dreimal hin- und zurückgehen mußte, weil es unmöglich war, mehr als ein Pferd auf einmal wegzuführen, ohne ein Geräusch zu verursachen. Und das war noch nicht das Schlimmste: Neun Pferde bedeuteten neun bewaffnete Krieger, und als Marrah an dem am weitesten entfernten Pferd vorbeischaute, entdeckte sie sie.
Sie waren nur als ein dunkler Haufen auf dem weißen Untergrund zu erkennen, dicht aneinandergedrängt in einem etwas schiefen Kreis, aber inzwischen erkannte sie eine Wärmefalle, wenn sie eine sah. Die Helme der Krieger glitzerten im Mondlicht, mit Rauhreif und Schneeflocken besetzt. Aus dieser Entfernung und bei dem schwachen Licht konnte Marrah die Clanzeichen nicht ausmachen, aber sie bildete sich ein, die Männer schnarchen zu hören. Wie tief sie wirklich schliefen, entzog sich allerdings ihrer Kenntnis.
Von Hiknak und den Hunden war keine Spur zu sehen, und die Hansi hatten auch keine Wachen aufgestellt. Marrah nahm an, sie sollte froh darüber sein, doch der Gedanke, sich an das Lager anzuschleichen und die Pferde zu stehlen, wenn die Krieger praktisch nur eine Handbreit entfernt schliefen, ließ ihre Kehle trocken werden vor Angst.
Stavan kroch vorwärts, und die Pferde beäugten ihn neugierig. Offenbar fanden sie es seltsam, einen Mann auf dem Bauch kriechen zu sehen, aber sie waren an den Geruch von Menschen gewöhnt, und seine Anwesenheit ängstigte sie nicht. Langsam bewegte er sich auf ein großes schwarzes Tier mit einer weißen Blesse zu, die bläulich im Mondlicht schimmerte. Marrah konnte nicht genau sehen, was er als nächstes tat, aber das Pferd wich einen Schritt zurück, woraus sie schloß, daß Stavan ihm die Fußfesseln abgenommen hatte. Sofort war er wieder auf den Beinen und schlang dem Tier ein Seil um den Hals, wobei er leise, beschwichtigende Geräusche machte, als wollte er ein Kind beruhigen. Vorsichtig führte er das Pferd von den anderen Tieren fort, die den Vorgang mit milder Neugier beobachteten. Wahrscheinlich ist es ganz normal für sie, wenn einer oder mehrere ihrer Artgenossen weggeführt werden, dachte Marrah.
Als Stavan zu Marrah zurückkehrte, bedeutete er ihr mit einer Handbewegung aufzustehen. Dann reichte er ihr das Ende des Seils und wies sie schweigend an, das Pferd zu der Stelle zu führen, wo Dalish wartete. Gehorsam machte Marrah kehrt und begann, ihren eigenen Spuren zu folgen. Der Wallach kam willig mit und stupste sie zwischendurch mehrmals mit seiner warmen Nase in den Rücken, als protestierte er dagegen, daß sie zu langsam ging.
Wenig später war Marrah zu Dalish zurückgekehrt und drückte ihr wortlos das Seil in die Hand. Ihre eigenen Pferde schienen das neue Tier willig zu akzeptieren. Sie stammten alle aus derselben Herde, und dies war ganz sicherlich nicht das erste Mal, daß sie eine Nacht zusammen verbrachten, während sie darauf warteten, daß die Menschen irgendein unergründliches Vorhaben ausführten. Kaum hatte Marrah ihr Pferd bei Dalish abgeliefert, als auch schon Arang mit einer großen Schimmelstute erschien. Kurz danach tauchte Stavan auf, der einen grauen Wallach am Zügel führte.
Wieder kehrten sie zum Lager der Krieger zurück, und Stavan schlich sich an die Pferde heran, um ihre Fußfesseln zu lösen, worauf sie schweigend drei weitere Tiere zu Dalish brachten. Jetzt waren nur noch drei übrig: zwei Stuten und ein großer, feuriger Hengst, der wahrscheinlich Mukhan gehörte. Marrah gefiel das Benehmen des Tieres gar nicht. Als die anderen weggeführt worden waren, war der Hengst zunehmend unruhig geworden, und als sie jetzt zum drittenmal zurückkamen, schnaubte er leise und tänzelte nervös hin und her, als beunruhige ihn das
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