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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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deren Zweige sich in so anmutigen Bögen gegen den Himmel abzeichneten, daß Marrah sich an klaren Tagen fast am Ufer des Rauchflusses wähnte.
    Als das Beste der Senke erwiesen sich ihre überhängenden Schlammseiten. Sie waren dick und stabil, zur Konsistenz von Töpferton gefroren; auf den ersten Blick wirkten sie wie massive Wälle, aber an einigen Stellen hatte der Bach kleine Höhlen herausgewaschen, die nur eine vierte Wand aus Schnee brauchten, um sie zu einem herrlich geschützten Ort zu machen.
    Schnee war ja wirklich im Überfluß vorhanden, und sa machten sich alle an die Arbeit, schaufelten das kalte Element zusammen, türmten es mannshoch auf und übergossen es dann mit Wasser aus dem Bach, um es steinhart gefrieren zu lassen. In jener Nacht, als der nächste große Sturm von Norden her zu toben begann, hatten sie einen Stall für die Pferde, zwei mittelgroße Räume und einen kleinen. Stavan und Marrah nahmen den einen Unterschlupf, Hiknak und Dalish den anderen; auf dem Boden des dritten breitete Arang seine Decke aus, der gerade groß genug für ihn war, um bequem die Beine ausstrecken zu können. Sie hatten Glück, solch warme Löcher zu haben, in denen sie sich verschanzen konnten; denn als es diesmal zu schneien anfing, hielt der Schneefall tagelang an und begrub sie unter weichen, weißen Bergen.
    Glücklicherweise blies der Sturm den größten Teil des Schnees über den obersten Rand des Bachtals hinweg, sonst wären sie bald bis zum Hals eingeschneit gewesen; dennoch fand sich Marrah fast jeden Morgen beim Aufwachen von teilweiser Dunkelheit eingehüllt. Dann gruben sie und Stavan sich einen Weg hinaus durch die weißen Massen, um fast im gleichen Moment Arang, Hiknak und Dalish aus ihren Höhlen herauskriechen zu sehen wie verschlafene Kaninchen, die aus ihren Erdfurchen auftauchten.
    Zuerst sorgten sie dafür, daß die Pferde Wasser und Gras bekamen; anschließend machten sie sich daran, das Frühstück zuzubereiten, das wie jede andere Mahlzeit aus Pferdefleisch und Eichelbrei bestand, oder – wenn der Schnee nicht allzu hoch lag, so daß Stavan und Hiknak auf die Jagd gehen konnten – aus ein paar Vögeln beziehungsweise (während einer Zeitspanne, in der sie besonderes Glück hatten) aus Wildfleisch.
    Danach gab es dann nichts mehr zu tun, als zu schlafen, sich zu unterhalten und unter dem Schnee nach Gras und Feuerholz zu stochern. Zuerst schien die Warterei langweilig, aber nach und nach gewöhnte sich Marrah an den Winterrhythmus. Sie waren so weit im Norden, daß die Tage erheblich kürzer schienen als damals in Shara; nun folgte eine lange Nacht auf die andere und Marrah wurde immer träger wie der Saft eines Baumes, der während der kalten Jahreszeit eindickt und sich an den Wurzeln zum Schlafen niederläßt.
    Natürlich bestand ihr Leben nicht nur aus Schlafen. Fast jede Nacht machten sie und Stavan Liebe – keine wilde Frühlingsliebe, sondern Winterliebe, lang und langsam und süß. Sie hielten einander in der Dunkelheit umschlungen und küßten sich, während draußen vor der Höhle leise der Schnee rieselte, und jeder Kuß machte hungrig auf den nächsten, und ihre Leidenschaft steigerte sich – wie zarte, leise Töne, die schließlich zu einem mächtigen Akkord anschwollen. Manchmal fühlte Marrah das Blut in ihren Ohren rauschen, und dann erhob sie sich und setzte sich rittlings auf Stavan; manchmal kam er zu ihr, schnell, voll stürmischen Verlangens und begierig auf mehr, aber er wartete immer, bis sie ihm erlaubte, in ihren Schoß einzudringen.
    Es gab Zeiten, wenn sie lustvoll aufschrien in der Ungestörtheit jener kleinen Höhle, und Zeiten, in denen sie sich ausgelassen hin-und herrollten wie lachende Kinder; manchmal streckten sie in der Nacht ganz einfach trostsuchend die Arme nacheinander aus und schmiegten sich eng aneinander wie zwei alte Menschen, die schon länger Partner waren, als sie zurückdenken konnten.
    Aber ganz gleich, auf welche Weise sie sich liebten, ihr Spiel miteinander hatte niemals auch nur eine Spur der Gewalttätigkeit an sich, die Marrahs Leben mit Vlahan so unerträglich gemacht hatte. Sie und Stavan behandelten einander als gleichwertige Partner, und als jener lange Winter schließlich endete, wußten sie, sie würden für immer Freunde bleiben, selbst wenn sie eines Tages aufhörten, Liebende zu sein.
    Doch ihre Liebe beinhaltete mehr als nur leidenschaftliche Umarmungen. Marrah hatte schreckliche Dinge durchgemacht. Als sie jetzt neben

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