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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Frauen, Kindern und Pferden über Nacht in nichts aufgelöst. Und sie hatten nicht einmal ihr Vieh mitgenommen, die wertvollen Rinder, um die sie so oft kämpften und derentwegen sie sich so häufig gegenseitig umbrachten!
    Dalish stieß einen ohrenbetäubenden Triumphschrei aus und schlug Marrah so heftig auf den Rücken, daß sie sie beinahe zu Fall gebracht hätte. »Wir haben sie besiegt!« jubelte Dalish. »Sie sind geflohen! Ein halbes Leben lang mußte ich auf diesen Tag warten! Seit sie meine Mutter und Großmutter getötet haben und ...« Sie brach in Tränen aus, dann fing sie an zu lachen und schluchzte auf einmal wieder; aber es spielte keine Rolle, weil alle anderen, einschließlich Marrah, ebenfalls gleichzeitig lachten und weinten.
    Die Kinder, die die Schlange gebildet hatten, legten einander die Hände auf die Schultern und begannen, ausgelassen zu tanzen und das »Lied des Widerstands« zu singen – bald stimmten alle ein. Es war zwar kein Wein mehr übrig, nur noch wenig Feuerholz und kein Essen mehr, das ein Festmahl gelohnt hätte, aber sie brauchten keinen Wein oder Wärme oder Honigkuchen: Sie waren trunken vor Erleichterung und Freude.
     
    Wir sind die Sharaner!
    Wir sind die Sharaner!
    Wir lieben einander!
    Wir werden niemals Untertanen!
     
    »Dieser Tag wird für alle Zeiten ein Festtag sein! « rief Marrah über den allgemeinen Lärm hinweg.
    »Was für ein Festtag? « riefen die anderen. »Gib ihm einen Namen, Marrah. Sag schon, wie sollen wir ihn nennen?«
    »Tag der Befreiung.«
    »Zu nüchtern! Zu langweilig! «
    »Tag des Dankes.«
    »Zu fromm! Zu ernst!«
    »Wie wäre es mit ›Tag der donnernden Muscheln‹?« rief sie verzagt. Alle lachten, und es blieb bei dem Namen: Von der Zeit an feierten die Sharaner den Tag ihres größten Sieges mit einer Bezeichnung, der es immer wieder gelang, Pilger in Verwirrung zu stürzen.
     
    Als die Tänzer müde waren und die allgemeine Euphorie sich legte, wandten sie sich wieder nüchterneren Dingen zu. Marrah rief Hicnak, Dalish und sechs der Jäger zu sich, um mit ihnen zum Fuße der Klippen hinunterzusteigen und den Lagerplatz der Nomaden zu inspizieren, aber Hiknak ließ sich nicht blicken. Sie war weder in ihrem eigenen Zelt oder in der Traumhöhle noch im Tempel oder im Zelt von Nachbarn. Ob die Nomaden es irgendwie geschafft hatten, sie mitten in der Nacht zu entführen? Lag sie vielleicht tot am Fuße der Klippen mit einem Pfeil im Herzen?
    Keshna lieferte schließlich die Antwort. »Mama ist weggegangen, um Vlahan zu töten«, erklärte sie. »Ich mußte ihr versprechen, niemandem ein Wort zu sagen, bis es hell genug wäre, um Farbe zu sehen. Aber ich habe sogar noch länger gewartet, weil ich wußte, ihr würdet bis zum letzten Augenblick versuchen, sie zurückzuhalten.«
    Als Marrah dies hörte, war sie so erzürnt über Keshna, daß sie einen Moment keinen Ton herausbrachte. Sie wußte, daß Hiknaks verrückter Alleingang der Vergeltung nicht die Schuld des Kindes war; aber so lange zu warten, bis sie endlich mit der Sprache herausrückte! So lange zu warten, bis es endgültig zu spät war, um noch etwas zu unternehmen! Sie dachte an Keru und Arang und an die Nomadenfrauen und -kinder, die vielleicht von der Giftsuppe gegessen hatten ... dann an Hiknak, die sich ihnen angeschlossen hatte – Hiknak, die tollkühne, störrische, tapfere kleine Nomadin, die sich um jeden Preis an Vlahan rächen wollte, und wenn es sie das Leben kosten würde.
    Als sie Keshna anschaute, sah sie den Starrsinn der Mutter in den Augen der Tochter. »Geh und such jemanden, der dir Frühstück macht«, fauchte sie. »Was du getan hast, ist nichts, worauf du stolz sein könntest.«
    Keshna fing an zu weinen, aber Marrah war nicht in Stimmung, sie zu trösten. Sie kehrte dem Kind den Rücken zu und lief zu der Stelle, wo Dalish und die Jäger warteten. Sobald sie die Neuigkeit hörten, warfen sie in aller Eile ihre Seile über den Felsvorsprung und kletterten hinunter, so schnell sie nur konnten. Sie liefen nicht zum Nomadenlager, sie flogen.
    Aber die Dunkle Mutter, die alle Wesen zu sich zurückholt, war schon vor ihnen dagewesen.
     

16. KAPITEL
    Am vergangenen Abend, kurz nachdem es zu regnen begonnen hatte, war Turthan, Häuptling der Zaxtusi, in sein Zelt zurückgekehrt und hatte eine Sklavin vorgefunden, die bereits darauf wartete, ihn zu bedienen.
    Marrah hätte die Sklavin als Vrimyta, die Dolmetscherin, wiedererkannt; aber Turthan sah in ihr nur

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