Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
eine barhäuptige, ziemlich unwichtige Frau, die schweigend damit beschäftigt war, seine Schlaffelle auszuschütteln, glattzustreichen und mit Dung das Feuer zu schüren.
Nachdem sie ihre Pflichten erledigt hatte, kniete die Sklavin vor ihm nieder und bot ihm eine Schale Suppe an, die köstlich nach Thymian und zerstoßenen Minzeblättern duftete. Dampf stieg von der Brühe auf und kräuselte sich verlockend um Turthans Nase.
»Was ist das?« fragte er scharf. Er war es nun einmal gewohnt, abends gebratenes Fleisch zu essen, und obwohl er Suppe mochte, war er der Ansicht, daß alles seine Ordnung haben sollte. Außerdem war er in übler Laune; er war durchgefroren, vom Regen durchnäßt und wütend auf seine Männer, die wie kopflose Feiglinge davonpreschten, als jene Hexe oben auf den Klippen den Donner herbeigezaubert hatte. Den ganzen Nachmittag über hatte er den Wald durchkämmt und einen nach dem anderen aus dem Gebüsch hervorgezerrt, hatte ihnen mit dem Verlust ihres Viehs, ihrer Frauen und ihres Lebens gedroht, wenn sie nicht zurückkehrten und wie echte Männer kämpften.
»Es gibt keinen Fluch!« hatte er sie angebrüllt. »Das war alles Schwindel, ihr Schwachköpfe! Habt ihr nicht gehört, wie Changar es alles als Schall und Rauch entlarvte? « Mehrere Male hatte er sich die widerwilligsten unter seinen Männern vorgeknöpft und ihnen sein Messer an die Kehle gehalten. Er glaubte nicht an Flüche und auch nicht an Götter, was das Schicksal betraf. Turthan war ein zutiefst zynischer Mann, der nur an eine Sache glaubte: Macht.
»Kommt zurück oder sterbt«, hatte er gedroht, und die Krieger waren allesamt mit verlegenen Mienen eingetrudelt; währenddessen sahen sie sich nervös um, als ob sie Kaninchen wären, die befürchteten, die sharanische Schlange könnte jeden Moment hinter einem Baum oder Busch hervorstürzen.
Es war widerwärtig, absolut widerwärtig: bewaffnete Männer, kampferprobte Veteranen in Dutzenden von Schlachten, die sich vor lauter Angst in ihren Lendenschurz pißten! Und was hatte ihnen solche Furcht eingejagt? Was hatte sie wie eine Herde Schafe davonrennen lassen, um ihren eigenen Namen und den gesamten Zaxtusi-Stamm mit Schande zu bedecken? Eine
Frau!
Die Sklavin murmelte etwas darüber, daß die Suppe aus Fisch gekocht sei, und Turthan erkannte, daß sie noch immer vor ihm kniete und ihm die Schale anbot. »Mach, daß du rauskommst! « brüllte er. Sie stellte die Schale auf dem Boden ab und huschte aus dem Zelt. Turthan vergaß sie augenblicklich wieder. Seine Gedanken kreisten um wichtigere Dinge: wie er seine Männer dazu bringen konnte, der sharanischen Drohung mit Verachtung zu begegnen; wie er sie wieder zu einer starken Kampftruppe zusammenschweißen konnte; wie er mit Vlahans Feigheit umgehen sollte. Einzig und allein Vlahan trug die Schuld an ihrer Niederlage. Turthan knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken an Vlahans jämmerliche Flucht. Wie konnte man von Kriegern erwarten, daß sie sich behaupteten und kämpften, wenn ihr Anführer den Schwanz einkniff und abzog wie eine Memme?
Er nahm seinen nassen Umhang ab und warf ihn auf den Boden. Dann entledigte er sich seiner durchweichten Stiefel und setzte sich ans Feuer, um die Füße zu wärmen. Vlahan war erledigt, soviel stand fest. Die Zwanzig Stämme existierten nicht einmal mehr; fünf davon rebellierten schon gegen ihren Anführer, und jetzt diese unaussprechliche Demütigung! Nun, es gab jemanden, der sehr viel besser geeignet war, die Stämme zu führen, und Turthan kannte diesen Jemand genau.
Mit vielsagendem Grinsen griff er nach der Suppenschale, die die Sklavin neben dem Feuer hatte stehen lassen. Zuerst trank er die Brühe und fand sie überraschend gut. Zufrieden grunzend griff er in die Schale und begann, die Fischstückchen herauszuklauben. Als er fertig war, leckte er sich die Finger ab und lehnte sich dann satt und angenehm gewärmt zurück.
Dies ist ein reiches Land, dachte Turthan. Ein Land, um das zu kämpfen sich wirklich lohnt. Vlahans Kopf würde sich prächtig auf einem Pfahl vor seinem Zelt ausmachen. Er war so damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie er am besten vorginge, um in den Besitz des fraglichen Kopfes zu gelangen, daß er eine kleine Weile später, als Vlahan unangekündigt in sein Zelt rauschte, einen überraschten Schrei ausstieß und automatisch nach seinem Dolch griff.
»Sei gegrüßt, Rahan«, murmelte er schuldbewußt. Er erhob sich auf die Füße, während er sich
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