Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
in ihrer Lebensauffassung.«
    Alle schwiegen einen Moment. Die Vorstellung, Dinge, die man niemals brauchte, nur um des Besitzens willen haben zu wollen, stieß bei ihnen auf Unverständnis. In Shara besaßen die Leute zwar viele kleine persönliche Dinge, aber alles Wichtige, wie Felder und Boote und Tempelschmuck, gehörte allen gemeinsam.
    Schließlich meldete sich Lalah zu Wort. »Du sagst, die Männer glauben, Frauen seien ihr Eigentum? Dann ist es kein Wunder, daß sie dieses Unheil namens ›Krieg‹ erfunden haben. Wie kann es Frieden zwischen Fremden geben, wenn im eigenen Land kein Frieden herrscht? Man sollte meinen, sie hätten genug Verstand, um zu begreifen, daß der Kampf niemals enden wird, wenn Männer und Frauen erst einmal anfangen, sich gegenseitig zu bekämpfen.« Sie hielt stirnrunzelnd inne. »Was glaubst du, wie diese törichte Idee, Frauen als ihren Besitz zu betrachten, entstanden ist?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand Marrah. »Manchmal denke ich, es liegt daran, daß sie ständig von einem Ort zum anderen ziehen. Wenn man immer auf Wanderschaft ist, halten einen schwangere Frauen und Kinder nur auf. Vielleicht haben die Männer ihre Familien im Laufe der Zeit eher als Belastung empfunden denn als Segen – ein Besitz, den man mit sich herumschleppen muß wie ein Zelt oder einen Kochtopf. Aber das kann nicht der einzige Grund sein, da muß noch mehr dahinterstecken. Als ich bei den Hansi lebte, hatte ich oft das Gefühl, daß sie Frauen mit Pferden verwechselten. Jeder glaubte, Frauen müßten beherrscht und gefügig gemacht werden – sogar die Frauen selbst dachten so, wie ich traurigerweise gestehen muß. Pferde sind nicht wie Menschen, wißt ihr.
    Ein Hengst will alle anderen Rivalen vertreiben und eine ganze Herde Stuten für sich selbst behalten.
    Aber ich denke, es könnte noch einen anderen Grund für das Verhalten der Nomaden geben, irgend etwas Verborgenes, das wir wohl niemals ganz verstehen werden – irgendeinen Kummer, der tief in ihrer Seele ruht. Das Leben im Grasmeer ist sehr hart. Im Sommer ist es dort unerträglich heiß und im Winter entsetzlich kalt. Es gibt nirgendwo Bäume und nur wenig Wasser. Ich könnte mir vorstellen, daß die Nomaden glauben, die Göttin Erde haßt sie oder hat sie vergessen; deshalb benehmen sie sich wie kleine Jungen, die von ihren Müttern im Stich gelassen wurden: Sie behandeln Frauen aus reiner Bosheit schlecht und weil sie das Bedürfnis nach Rache haben.«
    Lalah nickte. »Das klingt einleuchtend, aber es erklärt trotzdem nicht, wie die Männer auf die Idee kamen, die Frauen als Besitz zu betrachten, geschweige denn, warum die Frauen jemals eingewilligt haben, sich ihnen unterzuordnen.«
    Marrah zuckte die Achseln. »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wie alles angefangen hat, aber in ihren Gedenkliedern wird kein Wort davon erwähnt.«
    Stavan nickte: »Das ist richtig!«
    »Alles, was ich weiß«, fuhr Marrah fort, »ist, daß sich Nomadenmänner und -frauen gegenseitig hassen und fürchten, und sie lehren ihre Kinder dasselbe.« Sie sprach langsam, wollte, daß alles einen Sinn ergab, was ihr nicht ganz gelang. »Es gibt eine Verbindung zwischen ihrem Haß auf die Mutter Erde und ihrem Haß auf Frauen, irgendeinen Zusammenhang zwischen dem Haß auf Frauen und all dem Töten.
    Die Nomaden sagen, die Erde ist keine Göttin und hat keine Seele. Das Land unter ihren Füßen ist ihrer Ansicht nach nur Staub, ein Ort des Leidens, eine Plattform, um darauf zu stehen. Sie glauben, alles Heilige ist im Himmel. Sie sagen, die Sterne sind ewig ebenso wie der Himmel; daß Veränderung ein Zeichen von Verfall ist statt ein Zeichen von Wachstum. Sie sagen, die Götter sind alle Männer, die im Himmel leben, und daß man, wenn man mutig ist und eine Menge Menschen tötet, nach seinem Tod zu den Göttern in den Himmel kommt an einen Ort, den sie Paradies nennen ... es sei denn natürlich, man ist eine Frau. Das Himmelsparadies steht Frauen nicht offen.«
    Ihre Zuhörer sahen völlig verwirrt aus.
    »Was hat der Himmel damit zu tun?« fragte Walisha. Sie zeigte auf den Boden. »Jeder weiß, daß es die Mutter Erde unter deinen Füßen ist, die zählt.«
    »Mütter werden nicht geehrt im Land der Nomaden.« Marrah fragte sich, wie oft sie dies wohl wiederholen müßte, bis sie ihr endlich glaubten.
    Bindar runzelte die Stirn. »Ich weiß, du hast gesagt, die Nomadenmänner hassen Frauen; aber du willst uns sicher nicht weismachen, daß sie ihre

Weitere Kostenlose Bücher