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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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war: Ziegen, die durch die Straßen wanderten, waren ein Ein-Hut-Problem; die Verteilung von Feldern an die verschiedenen Mutterclans dauerte immer mindestens zwei Hüte lang, während etwas so Schlichtes wie die Entscheidung, wer für das Aufräumen nach einem großen Fest verantwortlich war, höchstens einen halben Hut in Anspruch nahm.
    Diese spezielle Ratsversammlung würde später als »Das Treffen von einhundert Hüten« in den Gedenkliedern besungen werden – nicht daß tatsächlich einhundert Hüte an jenem Nachmittag geflochten worden wären, sondern weil sie so zermürbend für alle Anwesenden war. Gleich zu Beginn drohte die Versammlung auszuarten. Marrah begann zu berichten, wie sie und Arang in Shambah angekommen waren, um es in Schutt und Asche vorzufinden; aber sie hatte kaum ihren ersten Satz beendet, als die Ältesten sie auch schon mit Entsetzensschreien unterbrachen.
    »Shambah niedergebrannt!«
    »Seine Bewohner abgeschlachtet!«
    »Die Kinder ermordet! «
    Einige ließen ihre angefangenen Hüte fallen und sprangen er-schüttert auf die Füße, während andere ungläubig auf Marrah starrten.
    »Was sind das nur für Menschen?« fragte Bindar aufgebracht. »Sind sie verflucht oder verrückt oder beides?« Er zeigte auf Stavan. »Erklär mir das! Warum töten deine Leute? Sind sie menschliche Wesen, oder sind sie die Geister tollwütiger Hunde? Was ist das für eine abscheuliche Gemeinheit, die sie in die Welt gebracht haben?«
    Stavan errötete und biß sich auf die Lippen. Er blickte Marrah an, und sie nickte ihm zu, ermutigte ihn, ganz offen zu sprechen. »Es wird ›Krieg‹ genannt«, erklärte er, »und ich muß zu meiner Schande gestehen, daß es schon immer die Lebensart der Hansi war, seit wir die ersten Pferde zähmten.«
    »Es ist nichts anderes als ein geplantes Abschlachten«, fauchte Shantar. Er spuckte auf den Boden und machte das Zeichen der Göttin, um Böses abzuwehren. »Dieser ›Krieg‹, wie du es nennst, ist nichts anderes als Mord, getarnt durch einen Phantasienamen.« »Deine Leute sind Diebe! « schrie Walisha.
    »Sie taugen nur zu Bosheit!« rief Yintesa.
    Stavan versuchte zu sprechen, doch sie ließen ihn nicht zu Wort kommen.
    »Jeder, der die Hand gegen ein Kind erhebt, sollte lebendig begraben werden!« zischte die sonst so friedfertige Blentsa.
    »Mögen die schlangenhaarigen Muttergeister deine Leute quä-len, solange sie leben, und möge die Göttin sich weigern, ihre Seelen aufzunehmen, wenn sie sterben«, sagte Walisha und befühlte die kleine Göttin aus Knochen, die an ihrem Hals hing, als verhängte sie nur zu gerne selber den Fluch.
    »Selbst ein Wolfsrudel tötet nicht alle Rehe! « sagte Yintesa, als sie sich Stavan mit dem Zorn einer Jägerin zuwandte, die den Respekt gegenüber jeglicher Kreatur vermißte. »Ihr Nomaden müßt völlig wahnsinnig sein.«
    Lalah hob gebieterisch eine Hand. »Ruhe«, befahl sie. »Ihr gebt ihm die Schuld, obwohl er nichts dafür kann. Stavan ist unser Gast, und er ist Marrahs Liebster. Sie hat mir erzählt, sie wird ihn zum Aita ihres Kindes machen, und ich lasse nicht zu, daß ihr ihm sämtliche Sünden seines Volkes zur Last legt. Es ist nicht gerecht. Soweit wir wissen, hat Stavan nichts Unrechtes getan.«
    Sie drehte sich zu Marrah um. »Ich glaube, es wäre besser, wenn du erklären würdest, warum die Nomaden Shambah niedergebrannt haben. Sie hätten doch sicherlich alles Gold der Stadt haben können, ohne jemanden zu töten. Ich bin überzeugt, die Priesterinnen hätten den Tempelschmuck lieber freiwillig herausgegeben, als mitanzusehen, daß auch nur ein einziges Menschenleben geopfert wurde.«
    »Die Nomaden waren nicht nur wegen des Goldes gekommen«, sagte Marrah. Sie nahm Stavans Hand und hielt sie fest in ihrer, verteidigte ihn gegen die feindseligen Blicke der Ratsmitglieder. »Sie wollen die Erde besitzen – und um Land zu bekommen, muß man es erst den Menschen wegnehmen, die es bereits bewohnen.«
    »Sie wollen sie besitzen?« riefen mehrere Ratsmitglieder entrüstet. »Welch ein Frevel! Man kann die Göttin Erde nicht besitzen! «
    »Das ist das, was wir glauben; aber die Nomaden glauben, ihre Götter hätten ihnen das Recht gegeben, sie und jedes Lebewesen auf ihr zu besitzen, einschließlich der wilden Tiere, des Viehs, der Pferde und ihrer eigenen Frauen und Kinder. Sie besitzen Vieh, das sie niemals essen, Pferde, die sie niemals reiten, Ziegen, die sie niemals melken. Besitz spielt eine große Rolle

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