Althalus
so ist, aber ich weiß immer noch nicht so recht warum.«
»Ich habe es dir vor langer Zeit erklärt, Schatz.«
»Ich weiß. Trotzdem kapiere ich es nicht.«
»Du hast mir aber gesagt, dass du es verstanden hast.«
Er zuckte die Schultern. »Da habe ich gelogen. Das war leichter, als dir zuzuhören, wenn du es mir ein drittes Mal erklärt hättest.« »Du solltest dich was schämen!«, rügte sie ihn. »Es scheint dort Spätnachmittag zu sein«, bemerkte Khalor und
blinzelte zum Westhorizont. »Was machen diese Bauern im Winter auf den Feldern?«
»Sie schlagen die Zeit tot«, erwiderte Dweia. »Der Edelmann, dem dieses Feld gehört, will nur dafür sorgen, dass seine Landeigenen beschäftigt sind.«
Die ausgehungerten und vor Schmutz starrenden Bauern trugen Lumpen aus Rupfen, die sie mit Schnurresten zusammengebunden hatten. Ein grimmig blickender Aufseher, dem nicht die geringste Nachlässigkeit zu entgehen schien, trieb die Opfer, die gefrorene Erde mit fast unbrauchbaren Hauen bearbeiteten, mit einer Peitsche an.
Da kam ein prunkvoll gewandeter Edelmann zu dem Aufseher geritten. »Ist das alles, was diese Kerle heute fertig gebracht haben?« »Der Boden ist gefroren, edler Herr«, erklärte der Aufseher. »Es ist reine Zeitverschwendung.«
»Ihre Zeit gehört mir!«, betonte der Edelmann. »Wenn ich ih nen befehle zu graben, dann haben sie auch zu graben. Sie brauchen nicht zu wissen weshalb.«
»Ich verstehe, edler Herr«, erwiderte der Aufseher, »aber es würde helfen, wenn wenigstens ich es wüsste.«
»Da draußen sind Aufwiegler, Alkos«, sagte der Edelmann. »Wir werden unsere Landeigenen so beschäftigt halten, dass sie gar nicht dazukommen, sich ketzerische Reden anzuhören.«
»Ah«, entgegnete der Aufseher. »Das ergibt wenigstens Sinn. Aber Ihr werdet ihnen mehr zu essen geben müssen. Ein Dutzend brach heute völlig entkräftet zusammen.«
»Unsinn«, schnaubte der Edelmann. »Damit wollen sie uns nur täuschen, und dafür hast du die Peitsche, Alkos. Beschäftige sie, bis es dunkel wird, dann kannst du sie essen gehen lassen. Und mach ihnen unmissverständlich klar, dass sie sich im Morgengrauen wieder hier einzufinden haben.«
»Edler Herr«, protestierte der Aufseher, »sie haben nichts zu essen außer Gras!«
»Wenn Rinder davon satt werden, dann wohl auch dieses Gesindel. Sorg für Zucht und Ordnung, Alkos! Ich muss jetzt in meinen Palast zurück. Das Abendessen dürfte jeden Augenblick serviert werden, und ich bin schier am Verhungern.«
»Du hast da eine Schau für uns abgezogen, nicht wahr, Em?«, beschuldigte Althalus sie stumm. »Nein, Schatz«, antwortete sie traurig. »Das musste ich nicht. So stehen die Dinge wirklich - und es wird noch schlimmer.«
Das Bild vor dem Fenster verschwamm aufs Neue. Althalus und die anderen sahen nun in ein pompöses Gemach, in dem ein aufgedunsener Edelmann auf einer Polsterbank lungerte und geistesabwesend mit einem vergoldeten Dolch spielte.
Es klopfte an der Tür und ein stämmiger Soldat trat ein. »Er sagte ›Nein‹, edler Herr«, meldete er.
»Was soll das heißen, ›Nein‹?«, rief der Edelmann.
»Er ist ausgesprochen stur, edler Herr, und er scheint sehr an seiner Tochter zu hängen.« »Dann töte ihn! Die Maid muss hier sein, ehe die Nacht anbricht !«
»Der oberste Richter hat gesagt, dass wir keine Bauern mehr töten dürfen, edler Herr«, entgegnete der Soldat. »Diese roten Priester schlachten jede Hinrichtung für Propagandazwecke aus, um die Bauernschaft noch weiter aufzuwiegeln.«
»Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe!«
»Ich weiß, aber der oberste Richter wird an Eure Tür pochen, noch ehe der Morgen graut, falls ich diesen sturen alten Narren umbringe.« Der Soldat kniff tückisch die Augen zusammen. »Es gibt eine andere Möglichkeit, Herr. Der Vater dieses Mädchens ist ein Krüppel. Ein Ackergaul hat ihn letztes Jahr getreten und ihm ein Bein zerschmettert. Er kann nicht arbeiten und hat außer der hübschen Tochter noch acht Kinder.«
»Und?«
»Warum drohe ich ihm nicht einfach, dass Ihr ihn aus dieser Lehmhütte verjagt, wenn er Euch nicht seine Tochter überlässt? Es ist jetzt Winter, und seine ganze Familie wird ohne Unterschlupf und Nahrung erfrieren und verhungern. Ich glaube, das wird er einsehen.«
Der Edelmann grinste spöttisch. »Großartig, Sergeant. Sag ihm, dass er die Kate verlassen muss, noch ehe es wieder hell wird, wenn seine Tochter nicht vor Einbruch der Nacht hier
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