Althalus
Vorstellungen weiter als wir
anderen. Ein längeres Gespräch mit ihm würde Euer Weltbild wahrscheinlich auf den Kopf stellen.«
»Oder Euer Hirn würde sich umdrehen«, fügte Sergeantgeneral Khalor hinzu. »Manchmal glaube ich, dass Gher nicht einmal auf derselben Welt lebt wie wir anderen. Sein Verstand ist so flink, dass außer Dweia niemand mit ihm Schritt halten kann.«
Die drei Exarchen blickten den kleinen Jungen überrascht und dann nachdenklich an. »Vergesst es!«, sagte Dweia hart. »Der Junge gehört mir und wird mein bleiben! Erzähl ihnen von den Fenstern, Gher.«
»Is' gut, Emmy.« Gher blickte die drei ernst an. »Weil das Haus überall is', kann man durch die Fenster überall hin gucken, wo Emmy will. Dadurch können wir rausfinden, was die Bösen grad tun und was sie als Nächstes machen wollen. Das Tolle an den Fenstern ist, dass wir die Bösen sehen und hören können und sie gar nicht wissen, dass wir direkt hinter ihnen sind -nur dass wir's gar nicht wirklich sind.« Gher runzelte die Stirn. »Das ist schrecklich schwer zu erklären«, murmelte er. »Ich weiß, was sich tut, aber ich kenn einfach nicht die richtigen Worte, um es irgendjemand anders klarzumachen. Wenn das Haus überall ist, tat das nicht bedeuten, dass es nirgendwo ist? Ich mein', nicht wirklich nirgendwo, sondern bloß so irgendwie nirgendwo. Wenigstens ist es nirgendwo genug, dass die Bösen uns sehen täten, wenn wir sie beobachten.«
»Ich glaube, das Wort, das du suchst, ist ›allgegenwärtig‹«, meinte Emdahl. »Es ist Teil der üblichen Beschreibung Gottes. Wenn Gott überall ist, kann der Mensch sich nicht vor ihm verstecken.«
»Jetzt fühl ich mich gleich viel besser, Herr Priester«, sagte Gher dankbar. »Ich hab schon gedenkt, dass ich der Einzige bin, der je auf solche Ideen gekommen ist, und da fühlt man sich wirklich allein.«
»Daran solltest du dich vielleicht gewöhnen Junge«, riet Emdahl. »Du scheinst Dinge zu begreifen, die andere selbst nach lebens langem Studium nur oberflächlich zu berühren imstande sind.« Emdahl seufzte bedauernd. »Welch einen Theologen könnten wir aus diesem Jungen machen, hätten wir ihn zuerst entdeckt.«
»Er kommt von sich aus sehr gut zurecht, Emdahl. Lasst die Finger von ihm«, warnte Dweia. »Ohne geistige und geistliche Führung können auch die klügs ten
Gedanken sehr gefährlich sein«, meinte Emdahl. »Dieser Ansicht sind auch meine beiden Brüder. Welch ein Glück für Gher, dass ich ihn gefunden habe.« »Sind sie wirklich Eure Brüder, Dweia?«, fragte Emdahl mit ungewohnt gedämpfter Stimme.
»Es ist ein wenig kompliziert, Emdahl, doch das Wort ›Bruder‹ kommt der Sache ziemlich nahe. Also, wie war's, wenn wir alle zum Fenster gingen und herausfinden, was die ›Bösen‹ im Schilde führen?«
Das Licht vor dem Fenster verschwamm und verdunkelte sich.
»Was geht da vor?«, fragte Yeudon erschrocken.
»Das Fenster bewegt sich, Eminenz«, erklärte Bheid. »Es begibt
sich von hier nach dort -und ich vermute, auch von dann nach wann, wenn man die Lichtveränderung in Betracht zieht.« Er blickte Dweia an. »Was sehen wir hier jetzt?«
»Die Stadt Leida im südlichen Mittelperquaine -gestern Abend.« »Das ist doch Koman, der dort durch die Gasse schleicht, nicht wahr, Em?« Althalus spähte durch das schwindende Licht.
»Offenbar. Ich hab zwar nach Argan gesucht, aber das Haus hat seinen eigenen Willen. Deiwos ist manchmal sehr faul, und das Haus tut alles, um die Dinge zu vereinfachen.«
»Die Vorstellung, dass eine Gottheit faul ist, dürfte dir ein Weil
chen zu denken geben, Bheid.«
»Bitte tu das nicht, Leitha«, flehte Bheid sie an. »Ich habe auch so schon genug Schwierigkeiten -und halte dich jetzt meinem Geist fern. Ich möchte nicht, dass du siehst, was darinnen ist.«
Exarch Emdahl blickte Bheid und Leitha nachdenklich an, schwieg jedoch. Da öffnete Koman in der schmutzigen, halbdunklen Gasse eine ramponierte Tür und betrat ein Haus.
Wieder verschwamm das Bild, während das Fenster Ghends Geistleser in eine heruntergekommene Kammer folgte, in der Argan wartete. »Hast du etwas Brauchbares herausgefunden?«, sagte er statt einer Begrüßung.
Der weißbärtige Koman setzte sich. »Der hiesige Herrscher heißt
Arekad und hat den Titel Herzog angenommen. Er ist genauso dumm, wie es die anderen waren.« »Das war zu erwarten, alter Junge«, entgegnete der blonde Pries ter in der scharlachroten Kutte. »Was ist mit dem hiesigen
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