Althalus
will.«
»Lasst mich raten. Zwei Frauen säuberten den Tempel. Eine zerriss ein Gewand, die andere staubte den Altar ab. War der Traum in etwa so?«
»Woher wisst Ihr das? «, fragte Yeudon verblüfft.
»Ihr seid nicht der Einzige, der vergangene Nacht diesen Traum hatte. Wir haben das schon mehrere Male erlebt. Diesmal aber war der Traum wahrscheinlich ein Geschenk Dweias. Alle bisherigen Träume hatte Daeva gesandt, und solche Träume möchtet Ihr gewiss nicht.«
»Ihr solltet wahrhaftig alles über Träume wissen, Yeudon«, warf Exarch Emdahl ein wenig bissig ein. »Ihr Weißkittel macht mehr Geld mit dem Traumdeuten als mit der Sterndeuterei. Was war dieses seltsame Singen, Althalus?«
»Das Lied des Dolches, Emdahl. Die von Daeva gesandten Träume klingen völlig anders. Die meisten bedeuten nicht sehr viel, doch wenn dieses Singen beginnt, heißt es aufzuhorchen. Gewöhnlich sind Traumvisionen ein Gegenentwurf der Wirklichkeit. Jene Träume, die sich uns früher aufdrängten, waren Versuche Ghends, gewisse Ereignisse in der Vergangenheit zu beeinflussen, um die unmittelbare Zukunft zu verändern. Sie waren fast alle sehr schnell und sehr leicht zu durchschauen, doch der Traum der vergangenen Nacht hätte komplizierter nicht sein können. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Emmy viel subtiler vorgeht als ihre Brüder. Wenn ich diese Traumvision richtig deute, hatte sie mit der Reinigung von Dweias Tempel in Maghu zu tun.«
»Das ist unser Tempel!«, protestierte Exarch Aleikon.
»Jetzt vielleicht, doch vor ein paar tausend Jahren war es der ihre. Wenn sie beschließt, wieder dort einzuziehen, werdet ihr auf der Straße sitzen. Wie auch immer, wir unterhielten uns gestern über Metaphern, und das ist vielleicht die beste Möglichkeit, die sen Traum zu deuten. Dweia und Leitha werden den Tempel säubern, das steht fest, doch nicht indem sie ihn putzen und Staub wischen. Im Lauf der Jahre ist euer Orden verderbt geworden. Ihr seid zu sehr auf Geld und Macht aus, und so wie ihr das einfache Volk behandelt, hat es Ghends Helfershelfer Argan die Tür geöffnet. Er ist ein ausgestoßener Priester, deshalb versteht er zu predigen. Und seine Predigten prangern hauptsächlich die Ungerechtigkeiten eures Ordens an. Er findet ein sehr offenes Ohr. Ghend versuchte es erfolglos mit militärischen Einmärschen in Wekti und Treborea. Jetzt geht er auf Argans Vorschlag ein, sich Aufständen zu bedienen, und das ist viel gefährlicher. Offenbar will Dweia diesmal persönlich eingreifen, und wenn sie Hausputz macht, dann bis zu den Grundfesten. Sie wird alles wegfegen, was sie beleidigt. Es könnte deshalb durchaus dazu kommen, dass ihr Braunkittel gemeinsam mit Argan und Koman auf dem Kehricht landet.«
»Das würde Deiwos nicht zulassen!«, rief Aleikon.
»Da wäre ich mir nicht so sicher, Eminenz. Dweia und ihr Bruder haben zwar des öfteren Meinungsverschiedenheiten, aber sie lie ben einander. Deiwos ist ein zurückgezogen lebender Gott, Dweia dagegen ist gern mitten im Geschehen. Wenn Ihr sie beleidigt, wird sie etwas unternehmen, und Deiwos wird sich nicht einmischen.«
Die drei Exarchen blickten Dweia verunsichert an, doch sie lä chelte und schwieg.
»Emmy hat mit ihrem Traumding vorgegriffen, nicht wahr?«, wandte Gher sich an Althalus. »Ich mein', es ist noch nicht passiert, stimmt's? Mit dem Vorgreifen mein ich, es war so wie der Traum, den wir alle hatten, wo die böse Hexe den Fuß auf Andines G'nick gestellt hat, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich«, pflichtete Althalus ihm bei. »Emmy springt so viel in der Zeit umher, dass es manchmal schwierig ist zu erkennen, wann sie ist. Diesmal hatte ich allerdings so eine Art ›Noch-nicht‹ Gefühl, und wenn ich mich nicht sehr täusche, bekommt unser
lieber Bruder Bheid eine wichtige Rolle in diesem Spiel zugewiesen.«
›»Noch nicht‹ stimmt, Schatz«, murmelte Dweia tief in Althalus' Kopf. »Es muss noch einiges geschehen, ehe es so weit ist. Gleich nach dem Frühstück wollen wir ins Turmgemach gehen und nachschauen, was Argan tut.«
»Wie du willst, Em«, entgegnete Althalus.
»Wo ist das, Sergeant Khalor?«, fragte Bheid, als sie sich zu dem hartnäckigen Arumer am Westfenster des Turms gesellten.
»Dail«, antwortete Khalor. »Nachdem jemand endlich zur Besinnung kam und Feuer an Bagho legte, sammelten die Bauern ihr Plündergut ein und setzten sich in nordöstliche Richtung in Bewegung. Die Befestigung von Dail ist ein Witz. Ich kann mir nicht
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