Althalus
er.
»Es ist keine Frotzelei, sondern eine Art der Zuneigung, Pappi.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
»Dürfte ich die Imitation des Buches sehen, die du gemacht hast, Em?«
»Sie liegt auf der Marmorbank, Schatz.«
Althalus betrachtete das schwarze Buch. »Es sieht genau wie das echte aus.« »Natürlich.« Er hob den Deckel der Schatulle und nahm das oberste Pergamentblatt heraus.
»Irgendwie scheint es anders zu sein«, bemerkte er.
»Das liegt wahrscheinlich daran, dass du es jetzt lesen kannst«, meinte Dweia.
»Ja, vielleicht. Als Ghend mir damals das echte Buch zeigte, ergab es überhaupt keinen Sinn für mich. Ich sehe, dass einige Wörter immer noch rot geschrieben sind.« Er runzelte die Stirn. »Ich war sicher, inzwischen alles Schriftliche lesen zu können, aber diese Worte in Rot lassen sich nicht deuten.«
»Das möchtest du auch gar nicht. Leg die Seite zurück in die Schatulle.« »Dürfen wir sehen, was Ghend macht, Emmy?«, bat Gher. »Ich wette, er fühlt sich schrecklich elend.« »Nun, sehr wohl ist ihm im Augenblick jedenfalls nicht.« Andine kicherte boshaft.
»Warst du nicht sehr grob zu Khnom?«, sagte Bheid tadelnd zu Gher. »Der Dolch befahl dir zu ›täuschen‹, nicht ihm den Schädel einzuschlagen.«
»Es ist mir auch gar nich' so leicht fallen«, gestand Gher, als sie das Gemach zum Südfenster durchquerten. »Ich wollte den Dolch nicht enttäuschen, andrerseits musste ich Khnom lang genug aus dem Weg haben, dass ich an Ghends Buch rankonnte. Dann kam mir die Idee, dass ›täuschen‹ bedeuten könnt, ›tu was mit Khnom, womit er nicht rechnete.‹ Und einen Eimer über den Schädel zu krie gen, damit hat er bestimmt nicht gerechnet.«
»Nun, das ist wohl eine ungewöhnliche Art von Logik«, räumte Bheid ein. »Es steht gar nicht gut für den armen Ghend«, meldete Leitha vom
Fenster. »Galbak hetzt ihn bis aufs Blut.«
»Wie bedauerlich«, murmelte Althalus abwesend.
»Was macht dir so zu schaffen, Althalus?«, fragte ihn Dweia. »Ich dachte, du würdest dich freuen, dass sich alles so gut ergeben hat.«
»Das bin ich in gewisser Weise auch«, antwortete er. »Ich wünschte nur, ich hätte es ein klein wenig anders erledigen können.«
»Es macht Althalus zu schaffen, dass er Galbak beschwindeln musste, während wir Ghend reingelegt haben«, erklärte Gher. »Althalus und Galbak haben sich wirklich gut verstanden, und Althalus mag Freunde nicht betrügen.«
»Moral, Althalus?«, fragte Dweia scheinbar erstaunt. »Ethik, Em«, verbesserte er sie. »Es ist ein Unterschied zwischen Ethik und Moral. Das weißt du doch, oder?«
»Nun, meine Sichtweise ist ein wenig anders, Schatz«, entgegnete sie. »Vielleicht können wir ein paar Jahrhunderte lang darüber diskutieren, wenn das hier vorbei ist.«
»Tut Khnom nicht das Gleiche wie Eliar?«, fragte Gher plötzlich. »Ich mein', ist er nicht Ghends Türöffner?«
»Gewissermaßen«, antwortete Dweia.
»Warum haben sie dann solche Schwierigkeiten da unten? Wenn wir fliehen müssten, brauchten wir doch bloß nach Eliar brüllen. Er tat eine Tür für uns öffnen, wir täten durcheilen und kämen irgendwo tausend oder vielleicht sogar hundert Meilen entfernt raus.«
»Das liegt nicht ganz an ihnen, Gher. Daeva hält seine Knechte an der kurzen Leine. Er ist kein Freund von Einfallsreichtum, und er ist sehr empfindlich, was seine Türen in Nahgharash betrifft. Er will nicht, dass seine Leute sie ohne seine Erlaubnis benutzen. Wer es doch tut, den bestraft er auf furchtbare Weise.«
»Das ist doch dumm, Emmy«, meinte Gher. »Und keine schlechte Beschreibung für meinen Bruder -vielmehr für meine beiden Brüder.«
»Dweia!«, entrüstete sich Bheid. »Sie sind auf unterschiedliche Weise dumm, Bheid. Aber dumm ist dumm, wie immer man es auch beschönigend nennen mag. Sowohl Deiwos wie Daeva basteln gern herum -an Dingen und an Menschen. Ich bin ein bisschen lockerer als sie. Ich habe festgestellt, dass alles in etwa so wird, wie ich es gern hätte, solange meine Anhänger mich lieben.« Dann blickte sie Althalus an. »Hattest du die Absicht, dich in nächster Zeit nach Hule zu begeben, Schatz?«
»Ich würde gern mit dir darüber reden, Em«, antwortete er ernst. »Haben wir die Wirklichkeit nicht schon genug verändert?« »Ich verstehe nicht ganz.«
»Es war Frühherbst, als Ghend das letzte Mal in Nabjors Lager kam. Wie viel kann sich ändern, wenn er im Frühsommer dort eintrifft? Wenn er mich
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