Althalus
gebe ich den Ton an. Mach du einfach bei der Geschichte mit, die ich mir für Nabjor einfallen lasse. Sie wird zwar nicht viel mit der Wahrheit zu tun haben, aber das ist nicht so wichtig.«
»Ich glaub', da täuscht Ihr Euch, Althalus«, widersprach Gher. »Wir verändern die Dinge, also ist jede Geschichte, die Ihr jemand erzählt, diesmal wahr, richtig? Ihr könnt jetzt nicht wirklich vorten.«
Althalus blinzelte.
»Ich an Eurer Stelle tat als erstes die Hunde im Haus dieses Reichen in Deika abschaffen. Wenn er keine Hunde hat, verläuft der Einbruch ganz anders, oder nicht? Das Schöne an der Sache ist, dass Ihr alles ändern könnt, das Euch damals nicht gefallen hat. Das ist Euer Traumding, darum könnt Ihr es so ausgehen lassen, wie Ihr wollt. Ganz egal, was für eine Geschichte Ihr erzählt, sie wird sich als wahr herausstellen.«
»Ich krieg schon Kopfweh vom Zuhören, Gher!«
»So schwierig ist es wirklich nicht, Althalus. Es ist sogar ganz leicht, wenn Ihr Euch nur daran erinnert, dass alles wahr ist, was Ihr sagt. Ihr könnt nicht lügen, auch wenn Ihr es möchtet.«
»Du machst meine Kopfschmerzen noch schlimmer.« Althalus zügelte sein Pferd. »Ich gebe Nabjor lieber Bescheid, dass wir kommen. Er mag es nicht, wenn irgendjemand einfach bei ihm hereinschneit.« Er hob die Stimme. »Ho, Nabjor! Ich bin's, Althalus! Wenn's dir Recht ist, komm ich zu dir!«
»Hallo, Althalus!«, brüllte Nabjor zurück. »Herzlich willkommen! Ich hatte schon befürchtet, die Equeroaner oder die Treborea
ner hätten dich irgendwo da unten an einen Baum geknüpft.« »Wo denkst du hin, Nabjor. Du müsstest inzwischen wissen, dass niemand mich je erwischt. Ist dein Met schon reif? Der, den du letztes Mal hattest, als ich vorbeikam, war noch etwas grün.« »Komm rein und überzeug dich selber«, lud Nabjor ihn ein. »Der neue ist recht gut ausgefallen.« Althalus und Gher ritten zur Lichtung, und Althalus blickte sei
nen alten Freund schwermütig an, als das Damals und das Jetzt sich in seinem Kopf überschnitten. Ihm war klar, dass Nabjor in der Welt, aus der er und Gher kamen, um die Vergangenheit zu besuchen, längst tot war. Aber hier war Nabjor immer noch der Alte: groß, stämmig, mit verschmitzten Augen, und er trug den gewohnten zotteligen Bärenfellkittel.
Althalus saß ab und schüttelte dem alten Freund herzlich die Hand. »Wer ist der Junge?«, fragte Nabjor.
»Er heißt Gher«, antwortete Althalus. »Ich habe ihn sozusagen als Lehrling unter meine Fittiche genommen. Er ist sehr vielversprechend.«
»Willkommen, Gher«, begrüßte Nabjor auch ihn. »Setzt euch, ihr zwei. Ich hole uns Met, dann könnt ihr mir alles über die Pracht der Zivilisation erzählen.«
»Keinen Met für den Jungen!«, wehrte Althalus rasch ab. »Gher hat eine ältere Schwester, die gegen stärkere Getränke zu Felde zieht. Lügen, Betrügen oder Stehlen stören sie überhaupt nicht, aber sie kann einem wochenlang in den Ohren liegen, wenn es um die schlichteren Freuden des Lebens geht. Sollte sie durch Zufall erfahren, dass ich Gher Met trinken lasse, würde sie ihn vielleicht sofort nach Hause holen.«
»Ein paar von der Sorte sind mir auch schon über den Weg gelaufen«, sagte Nabjor. »Manchmal sind Frauen wirklich ziemlich merkwürdig. Ich habe Apfelsaft, der noch nicht zu Most gegoren ist. Wäre das was für deinen Lehrling?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie an Apfelsaft was auszusetzen hätte.«
»Gut, dann also Met für uns und Saft für Gher. Auf dem Spieß da drüben brutzelt ein Stück Waldbüffel. Bedient euch. Ich bring euch auch noch einen Laib Brot.«
Althalus und Gher setzten sich auf einen gefällten Baumstamm am Feuer und schnitten sich große Stücke aus der brutzelnden Keule, während Nabjor zwei Becher mit schäumendem Met füllte und einen dritten mit goldenem Apfelsaft. »Wie ist es dir drunten in der Zivilisation ergangen? «, fragte er.
Althalus wurde klar, dass dies der ausschlaggebende Moment war. Er würde die Dinge ändern. »Es übertraf meine kühnsten Erwartungen. Meine Glücksgöttin lächelte bei jedem Schritt. Sie scheint mich immer noch über alle Maßen zu lieben.« Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher. »Da ist dir wirklich ein ausgezeichneter Met gelungen, mein Freund!«
»Ich dachte mir, dass er dir schmeckt.«
»Es ist schön, wieder hier zu sein, wo es Met zu trinken gibt. Dort unten in der Zivilisation wissen sie offenbar gar nicht, wie man ihn braut. In
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