Althalus
schimmernden Feuer und dem einschmeichelnden Gesang.
Ihr Haar besaß die Farbe des Herbstes und ihr Körper die üppige Vollendung, die ihn vor Sehnsucht nach ihr erbeben ließ. Sie trug eine kurze, archaische Tunika und ihr Haar war kunstvoll geflochten. In ihrer heiteren Gelassenheit sahen ihre Zügen irgendwie fremdartig aus. Auf der Reise, die er vor kurzem in die zivilisierten Lande im Süden unternommen hatte, hatte er die antiken Statuen bewundert, und das Gesicht seiner Traumbesucherin ähnelte mehr jenen dieser Skulpturen als denen jetzt lebender Menschen. Ihre Stirn war hoch, ihre Nase von edelster Form, und ihre fein geschwungenen Lippen versprachen alle sinnlichen Verlockungen. Ihre großen tiefgrünen Augen schienen ihm ins Innere der Seele zu blicken.
Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie streckte die Hand aus. »Komm«, forderte sie ihn sanft auf. »Komm mit mir. Ich werde für dich sorgen.«
»Ich wollte, ich könnte es«, hörte er sich entgegnen und verfluchte seine Zunge. »Ich würde es gern, aber es ist so schwierig fortzukommen.«
»Wenn du mit mir kommst, wirst du nie zurückkehren«, sprach sie mit ihrer erregenden Stimme, »denn wir werden zwischen den Sternen wandeln und dein Glück wird dich nie mehr verlassen. Deine Tage werden voll Sonne sein und deine Nächte voll Liebe.
Komm, komm mit mir, Geliebter. Ich werde für dich sorgen.« Sie
lächelte verheißungsvoll, drehte sich um und bedeutete ihm mit
einer Bewegung ihrer Hand, mit ihr zu gehen.
Benommen folgte er ihr und sie schritten dahin zwischen Wolken und Mond, und das Gottesfeuer hieß sie willkommen und segnete ihre Liebe.
Und als er am Morgen erwachte, war sein Herz voller Zufriedenheit.
Die Tage wurden kürzer und die Nächte kälter, während Althalus und Gher dem Rand der Welt nordostwärts folgten. Nach etwa einer Woche gelangten sie in eine vertraute Gegend. »Wir kommen bald zum Haus, nicht wahr?«, fragte Gher eines Abends nach dem Essen.
Althalus nickte. »Wahrscheinlich morgen gegen Mittag. Wir werden jedoch eine Weile warten müssen, bevor wir eintreten dürfen.«
»Warum? «
»Weil ich das letzte Mal erst gegen Abend über die Brücke gegangen bin, und ich finde, wir sollten es dabei belassen. Ghend hat von Anfang an Traumvisionen benutzt -und jede ist für ihn schief gegangen. Es sieht so aus, als mag irgendetwas nicht, wenn wir mit Dingen herumspielen, die längst geschehen sind. Deshalb sorge ich dafür, dass diesmal alles so nahe an die Ereignisse von damals herankommt, wie nur möglich - dass ich die gleichen Schritte an denselben Stellen mache, dass ich mich zur gleichen Zeit wie damals an der Nase kratze, und so weiter. Was immer da draußen ist und nicht mag, wenn wir an der Vergangenheit herumpfuschen -ich möchte auf gutem Fuß damit stehen. Sobald wir zwei im Haus sind, müssen wir nicht mehr so vorsichtig sein, aber bis dahin heißt es gut aufpassen.«
Am nächsten Vormittag gelangten sie zum Haus. Althalus wurde bewusst, dass er es seit langer Zeit nicht mehr von außen gesehen hatte. Obwohl es in Wirklichkeit viel größer war, als es von hier den Anschein hatte, sah es immer noch sehr beeindruckend aus. Es erhob sich von einem Felsvorsprung über dem Abgrund und war offenbar nur durch eine Zugbrücke zu erreichen, die es vom Rest der Welt trennte. Althalus war ziemlich sicher, dass das Haus genau da bleiben würde, wo es war, selbst wenn die übrige Welt verschwinden sollte.
Sie saßen ab und setzten sich auf den Felsblock, hinter dem
Althalus sich vor fünfundzwanzig Jahrhunderten versteckt hatte, als er zum ersten Mal hier gewesen war. Gegen Mittag kamen Andine und Leitha mit einem großen Henkelkorb über die Brücke. »Essen!«, rief Leitha.
»Ist Emmy bös' auf uns?«, fragte Gher besorgt.
»Nein«, entgegnete Andine. »Sie scheint sogar sehr erfreut darüber zu sein, wie die Dinge sich entwickelt haben.«
»Dweia möchte, dass ihr noch ein bisschen wartet, bevor ihr über die Brücke kommt«, richtete Leitha ihnen aus. »Es ist noch nicht ganz so weit.«
Althalus nickte. »Ich weiß.«
»Behaltet das Turmfenster im Auge. Bheid wird eine Laterne schwenken, um euch wissen zu lassen, wann ihr heimkommen dürft.« Sie lächelte flüchtig. »Das gehört zu seiner Aufgabe, nicht wahr? «
»Wieso?«, wunderte Gher sich.
»Der Dolch befahl ihm zu erleuchten, oder etwa nicht?«
»Versuchst du zu spaßen? «
»Wie kommst du darauf?« Dann lächelte sie wieder. »Der
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