Althalus
Befehlston zu finden. Er entdeckte auch, dass andere Worte den Schuh veranlassten, andere Dinge zu tun. Bei » dheu « erhob er sich vom Boden und schwebte vor ihm. Bei » dhreu « sank er auf den Bo den zurück.
Althalus übte es eines Spätsommertages, als ihm ein verwegener Gedanke kam. Er blickte zu Emerald, die auf dem Bett saß und eif rig ihre Ohren putzte. Er widmete ihr seine angestrengte Aufmerksamkeit, legte eine Hand auf das Buch und sagte: » Dheu. «
Sogleich erhob Emerald sich in die Luft und schwebte in Kopfhöhe vor ihm. Sie putzte weiterhin ihre Ohren, als wäre nichts geschehen. Dann blickte sie ihn an und ihre grünen Augen wirkten eisig. » Bhlag! «, befahl sie scharf.
Ein Kinnhaken warf Althalus zu Boden. Der Schlag schien aus dem Nichts gekommen zu sein und hatte ihn bis zu den Zehenspitzen erschüttert.
»So was tun wir einander doch nicht an, nicht wahr?«, flüsterte Emerald beinahe freundlich. »Und jetzt lass mich runter!« Von der Wucht des Schlages schielte er leicht. Er bedeckte ein
Auge mit dem Handteller; so konnte er Em nun wieder sehen. » Dhreu «, murmelte er entschuldigend.
Emerald machte es sich erneut auf dem Bett bequem. »Das ist viel besser«, schnurrte sie. »Wirst du jetzt aufstehen, oder gedenkst du noch eine Zeit lang auf dem Boden liegen zu bleiben?« Sie wusch ihre Ohren weiter.
Aus ihrem Verhalten schloss Althalus, dass es Regeln gab, die man besser nicht brach. Ihm wurde auch bewusst, dass Emerald ihm den nächsten Schritt vorgeführt hatte. Sie war nicht in der Nähe des Buches gewesen, als sie ihm den Kinnhaken verpasste.
Er übte mit seinem Schuh weiter, mit dem er vertrauter war als mit sonst etwas seiner Habe. Außerdem hatte der Schuh keine scharfen Ecken und Kanten. Nur um festzustellen, ob er es fertig brächte, fügte er ihm ein Flügelpaar an, worauf der Schuh unbeholfen im Gemach umherflatterte und ständig gegen irgendetwas prallte. Grinsend dachte er, dass ein fliegender Schuh in Nabjors Lager oder in Gosti Fettwansts Halle eine echte Sensation wäre. Aber beides lag sehr lange zurück. Müßig kramte Althalus in seiner Erinnerung, um vielleicht herauszufinden, wie viele Jahre er bereits hier verbracht hatte, doch irgendwie war es unmöglich, auf die richtige Zahl zu kommen.
»Wie lange bin ich schon hier, Emmy? «, rief er.
»Schon ziemlich lange, Althi. Warum fragst du?«
»Reine Neugier. Ich kann mich kaum noch an die Zeit zuvor erinnern.«
»Zeit bedeutet in diesem Haus nicht wirklich etwas, Schatz. Du bist hier um zu lernen, und viele der Dinge in dem Buch sind äußerst schwierig. Dein Verstand hat sehr lange gebraucht, sie ganz zu verstehen. Fast jedes Mal, wenn so etwas geschah, ließ ich deine Augen schlafen, während dein Verstand gearbeitet hat. Dadurch war es viel ruhiger. Du hast dich mit dem Buch herumgeschlagen, nicht mit mir.«
»Warte mal. Habe ich dich richtig verstanden? Willst du damit sagen, dass ich manchmal eine Woche oder länger in einem solchen Schlafzustand verbracht habe?«
Sie bedachte ihn wieder einmal mit einem ihrer aufreizend überlegenen Blicke.
»Einen Monat?«, fragte er ungläubig.
»Mehr.«
»Du hast mich doch nicht etwa jahrelang schlafen lassen?«, rief er aufgeregt. »Schlaf ist sehr gut für dich, Schatz. Das Schöne an diesen Nickerchen ist, dass du dabei nicht schnarchst.« »Wie lange, Emmy? Wie lange bin ich schon hier oben bei dir eingesperrt? «
»Lange genug, dass wir einander kennen gelernt haben.« Dann stieß sie mit Duldermiene einen ihrer Seufzer aus. »Du musst zuhören lernen, wenn ich dir etwas sage, Althalus. Du bist schon lange genug hier im Haus, um das Buch lesen zu können. Dazu hast du auch gar nicht so lange gebraucht. Doch es verstehen zu lernen, hat sehr lange gedauert. Du bist auch noch nicht ganz fertig damit, machst aber Fortschritte.«
»Das bedeutet, dass ich sehr, sehr alt bin, nicht wahr?« Er hob die Hand, ergriff eine Haarsträhne und zog sie herunter, um sie zu betrachten. »So alt kann ich gar nicht sein«, sagte er spöttisch. »Mein Haar ist noch nicht einmal weiß.«
»Warum sollte es weiß sein? «
»Das ist so. Wenn jemand alt wird, wird sein Haar weiß.«
»Das ist es ja gerade. Du bist nicht alt geworden. In diesem Haus verändert sich nichts. Du bist noch genauso alt wie an dem Tag, als du es betreten hast.«
»Was ist mit dir? Bist du auch noch genauso alt wie damals?«
»Habe ich das nicht gerade gesagt?«
»Wenn ich mich recht entsinne, hast
Weitere Kostenlose Bücher