Althea - Das Erwachen
über Hindernisse, Felsen, Baumstämme oder kleine Bäche. Ich nahm viele Tiere wahr, die durch den Wald huschten, Rehe und Wildschweine. Hunde und Katzen sah ich oft eher in der Nähe von Orten, die ehemaligen Haustiere bewahrten sich die scheinbare Nähe zu ihrem alten Zuhause, auch wenn die Menschen verschwunden waren.
Ich ging den ehemaligen Haustieren aus dem Weg, sie waren sicher völlig verwildert und im Rudel nicht ganz ungefährlich. Ab und zu hörte ich das Bellen oder Winseln eines Hundes im Wald, aber doch eher selten. Ich vermutete, dass viele der Haustiere verhungert waren, unfähig sich zu ernähren. Das Wetter war so schön zum Wandern, wie es seit Jahren nicht mehr gewesen war, es regnete nur sehr selten.
Ein warmer Sommerregen überraschte mich auf einer Lichtung mitten im Wald. Er erinnerte mich an den einen Tag, an dem ich im Regen getanzt und die Empfindungen des Wassers auf meiner Haut genossen hatte. Alles erschien mir so wunderschön und ich erinnerte mich gern an das Gefühl. Zuerst war da der unverkennbare Geruch nach Regen, den ich so sehr mochte. Dann kamen die ersten kleinen und nassen Tropfen, die auf meine Haut fielen. Sie fühlten sich kühl und nass, aber nicht unangenehm an, der Regen brachte meinem Geist Ruhe und Frieden. Ich reckte mein Gesicht nach oben und genoss den Regen auf meiner Haut. Es war ein sehr angenehmes Gefühl, so friedlich und unschuldig. Ich breitete die Arme aus und hieß den Regen mit all den Fasern meines Ichs willkommen.
Der Wald bekam einen anderen Geruch, er roch jetzt leicht modrig und doch auch nach der Möglichkeit neuen Lebens, eine Mischung, wie sie mir noch nie zuvor aufgefallen war. Der Wald hielt den meisten Regen ab, einiges jedoch tropfte hindurch. Meine Kleidung wurde mit der Zeit immer nasser, es störte mich jedoch nicht, es wurde mir auch nicht zu kalt. Es war anders als trocken, aber nicht unangenehm. Ich genoss den Regen einfach. An diesem Abend riskierte ich ein kleines Feuer in einer Waldhütte, die einen Vorrat trockenes Holz hatte, und trocknete meine Kleidung damit.
Die Strecken durch den Wald waren am schönsten für mich, ganz im Gegensatz zu früher, als ich mich noch um Insektenbisse und ähnliches sorgte, das kam mir jetzt alles unwichtig und bedeutungslos vor. Nicht nur wegen meiner Fähigkeit zu heilen oder der Relation zu Verletzungen, die ich bereits überstanden hatte; ich war insgesamt stärker verbunden mit der Natur, als ich es früher gewesen war. Obwohl ich zugeben musste, es war schon praktisch, die Insektenstiche mit den Schleiern loswerden zu können.
Oft musste ich Hindernisse umgehen oder auch ganze Waldstücke, die unpassierbar waren, aber meistens schlüpfte ich auch einfach durch dichten Wald. Ich hatte das Gefühl, das es mehr Tiere als früher gab, auf jeden Fall nahm ich mehr von ihnen wahr. So viele Eichhörnchen alleine schon, aber auch Rehe, Hasen und Wildschweine, einmal sah ich sogar einen Bären in der Ferne, den ich großräumig umging. Sehr leise war ich nicht unterwegs, vor allem im Laub nicht, es gab aber genug Geräusche im Wald, da fielen meine nicht weiter auf.
Schließlich traf ich auf eine Autobahn, es war die A9, die große Autobahn von Berlin nach München, diese Strecke kannte ich. Die Autos standen alle noch auf der Fahrbahn, was war hier nur passiert? Eine Atombombe vielleicht, in der Atmosphäre gezündet? So etwas konnte alle elektrischen Geräte zerstören und die Fahrzeuge lahmlegen. Es war ein völliges Rätsel. Die Wagen waren meistens leer, trotzdem lagen auf der Autobahn Leichen, allerdings nur noch als Skelette, sie waren seit Monaten tot. Manche von ihnen sahen nach einem gewalttätigen Ende aus, man sah eingeschlagene Schädel und abgetrennte Extremitäten.
Ich war mir sicher, dass Grüne die Ursache für den gewaltsamen Tod gewesen waren. Andere Skelette sahen so aus, als wären sie einfach hingefallen und nicht mehr aufgestanden. Was mich an mein Erlebnis erinnerte, vielleicht war das etwas, das allen Menschen passiert war, und ich war einfach nur in der glücklichen Lage gewesen, dass mich jemand versorgt hatte.
Doch warum hatte es meine Wohltäter nicht erwischt, und warum war ich dann doch am Ende alleine gewesen? Vielleicht hatten die Grünen meine Wohltäter aus dem Krankenhaus schließlich doch noch erwischt? Doch warum blieb ich in meinem Bett verschont? Irgendwie eröffnete jede Antwort tausend neue Fragen, ich musste doch irgendwann einmal etwas Klarheit in die Sache
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