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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Nichts, ein Niemand war er, in den eigenen Augen nur noch eine kugelrunde Null, sich selbst nicht mehr genügend. In diesem Zustand war er sogar für Detmold undenkbar, zumindest bis zum nächsten Szenenapplaus und den Standing Ovations. Da schlug dann das Pendel wieder in die andere Richtung um. Immer wieder hin und her.
    Irgendwann hat Plotek gemerkt, dass das nichts anderes ist als die Wiederkehr des Immergleichen. Ein Zyklus wie die Jahreszeiten, nur kürzer, viel kürzer. Hunderte Winter und fast ebenso viele Sommer in einem Jahr und in demselben Kopf. Das Schlimmste aber war, dass Plotek irgendwann dann auch noch merken musste, dass sich gar nichts veränderte, unabhängig davon, ob es Winter oder Sommer war. Ob oben oder unten, mit oder ohne Szenenapplaus, alles blieb gleich. Es war und blieb Detmold, Detmold, Detmold. Hin und wieder kamen Tübingen, Pforzheim oder Ingolstadt hinzu. Aber egal.
    Auf die Dauer macht das einen wie Plotek kaputt, weil der nicht gerade der Stabilste ist. Obwohl, manchmal ist Plotek die Belastbarkeit eines Boxers in Person, dann aber wieder die reinste Fragilität – als Folge eines Punch. Wie damals beim Jahrhundertkampf Ali versus Forman, 74 war das. Aber das ist jetzt eine ganz andere Baustelle. Und dennoch hinterlässt hier wie dort der ständige Wechsel Narben, und die Narben zermürben die Psyche. Psychologie eben. Und dann ist so ein Marburger Hänger gar nicht mehr so sehr verwunderlich. Er kommt quasi zwangsläufig und ist kaum mehr vermeidbar.

    Der Empfang von Plotek im Altöttinger Kleinen Sitzungssaal fand nichts Vergleichbares in Ploteks Biografie. Nicht einmal seine Verlobungsfeier, Jahre war sie her und im Nachhinein einer der frappierendsten Fehltritte in seinem Leben, konnte den Altöttinger Empfang an Feierlichkeit überbieten. Das hatte Stil, ja, Anmut, Liebreiz und alles. Vielleicht war es aber auch nur ein Euphemismus und knallhart kalkulierte Berechnung. Der Sitzungssaal nur ein Potemkinsches Dorf? Natürlich hat es Plotek zunächst geschmeichelt. Dann tauchte der Gedanke an den Armani oder Boss, der im Hotelzimmer hing, auf, was eine verhaltene Scham zur Folge hatte.
    Zuletzt hat Plotek dann aber doch noch den gammligen Braten gewittert. Trotz Schädelweh und Brillantengefunkel, bildlich jetzt, lag hier einiges im Argen. Das war Plotek klar, dafür war sein dramatisches Gespür zu ausgeprägt. Dafür war er dann einfach doch schon zu lange im Geschäft. Wetten, hat er gedacht, irgendwo taucht ein Richard auf, ein Macbeth oder sonst ein Schurke, und dann stürzen die Pappwände ein und der Boden tut sich auf. Das war Theatergesetz. Und das da in Altötting kam Plotek immer mehr wie eine Inszenierung vor. Der Altöttinger Empfang war inszeniert, wie wenn der FC Bayern, Fußball jetzt als Vergleich, bei der SpVg Dorfmerkingen zu Besuch käme. Jeder, der den FCB kennt, weiß, das ist ausgeschlossen. Das macht der nicht. Und wenn schon, dann hat das Gründe, schwerwiegende Gründe mit eigenem Vorteil. Und die hatten auch die Altöttinger. Nur welche? Das war Plotek nicht ganz klar. Auf jeden Fall standen die Honoratioren der Stadt, aufgereiht wie damals die Lembke-Schweinchen, vor dem Stadtwappen an der Wand im Kleinen Sitzungssaal und lächelten der Erlösung entgegen. Das Who is Who von Altötting. Alle waren sie herausgeputzt, als wären sie die großen Brüder von Arno. Dabei stand nur einer im verwandtschaftlichen Verhältnis zu ihm. Logisch, der Vater und Erste Bürgermeister. Also, von links nach rechts: Bürgermeister Brunner, Fremdenverkehrsdirektor Zeller, der Guardian des Kapuzinerordens Pater Martin, Passionsspielleiter Josef »Sepp« Niederbühler, Herr Helmut Regler von den Gewerbetreibenden, Kulturreferent Dr. Mühlbauer und die Erste Vorsitzende vom erst jüngst gegründeten Altöttinger Passionsspielverein e.V., Frau Gaby Mand. Es fehlte nur noch das Absingen der Hymnen, national oder auch nicht, dann hätte man denken können, ja, das hat was Sportives. Die Trikots waren farblich alle dunkel, bis auf die Dame, die trug ein hellgrünes Kostüm. Natürlich verging im ersten Moment den Herrschaften und der Dame das Lachen, als Plotek wie der Hund von Arno an dessen Seite in den Sitzungssaal geschlappt kam. Quasi negative Überraschung oder große Enttäuschung. Aber nachdem Arno mit einer kurzen Handbewegung der versammelten Mannschaft ein geheimes Zeichen zugeworfen hatte, ist die gute Laune wie nie weg gewesen in die Gesichter der Altöttinger

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