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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Prominenz zurückgekehrt. Zuerst breites Grinsen, dann ausgestreckte Arme und zweihändiges Händeschütteln (dabei ist immer Vorsicht geboten, das bedeutet: sofort verdächtig. Merke, wer zum Gruß mit zwei Händen eine greift, will mehr als die Hand festhalten. Quasi Vereinnahmung. Oder auch als Subtext zu lesen: Ich lass dich nicht mehr los). Was Arno den Altöttingern nonverbal signalisiert hatte, konnte nur vermutet werden. Irgendetwas vielleicht wie: Meine Herrschaften und Frau Mand, alles scheint nicht so, wie es ist. Oder vielleicht auch: Schaut her, ein Künstler eben! Also harmlos, quasi halb so schlimm. Das schien den Mächtigen von Altötting plausibel zu sein. Nach anfänglicher Skepsis stellte sich postwendend Erleichterung ein. Zuerst wurden ein paar belanglose Worte abgesondert. »Grüß Gott, ja schön, na ja, hallo, ist halt nur ein kleiner Ort, hahaha, wie man’s nimmt, ichweißichweißichweiß, herzlich willkommen, jajaja, Sie wissen ja, freut uns, ja, neinnein. . .« Anfänglich war alles noch etwas distanziert, aber nicht wegen der mangelnden Herzlichkeit der Promis, sondern wegen der starken Ausdünstung von Plotek. Sich ihm mehr als auf einen halben Meter zu nähern hieß, sich in Harakiri zu versuchen.
    Nach dem Austausch der allgemein üblichen Floskeln und Aufmerksamkeiten kam dann aber doch noch im Stehen das Geschäft ins Spiel. Vorbereitete Verträge wurden gereicht und Plotek zur Vertragsunterzeichnung gebeten. Also doch alles wie beim Sport. Viel Kleingeschriebenes und Unverständliches war da zu lesen.
    Dann zeigte der Erste Bürgermeister mit dem Finger auf Unterschrift.
    »Darf ich bitten?« – Wie der Auftakt zum großen Tanz.
    »Herr Plotek!«, hakte der Erste Bürgermeister nach und drückte ihm den Kugelschreiber in die Hand – weil Plotek natürlich mal wieder nichts überrissen hat. Den Kuli hatte Plotek jetzt zwischen den Fingern und den Kopf noch immer nicht im Griff, soll heißen, es herrschte nach wie vor in den Schaltkreisen seiner Nervenzellen ein wildes Durcheinander. Die Kommunikation der Gehirnzellen befand sich auf Streetfighter-Niveau.
    »Hier!«, hat Brunner senior noch mal gesagt, während seine Finger auf dem Papier geruht haben, wie die Jünger Jesu am Ölberg.
    Ein Zurück ist natürlich immer möglich, selbst wenn fingerzeigend ein Voran unumgänglich scheint. Aber bei so viel Mühe und Aufmerksamkeit wollte Plotek auch kein Spielverderber sein.
    Dann wurde das Meldeformular, wegen der Auflagen, aus einer Ringbuchmappe gezogen. Alles war vorbereitet und unterschriftsbereit. Alle zogen scheinbar am selben Strang und Plotek über den Tisch. Ein hingekrackeltes P. Plotek stand jetzt auf dem Formular, was so viel bedeutete wie, ab jetzt Zweitwohnsitz Altötting und Auflagen somit erfüllt. Also, Augen zu und durch.
    Danach wieder Augen auf und Umtrunk im Großen Sitzungssaal mit kaltem Büfett von Parmaschinken bis Kaviarersatz, Sekt, Wein und allem. Auch das komplette Ensemble war anwesend. Es folgte die namentliche Vorstellung aller Laienspieler. Die elf Jünger: Johannes, Petrus, Jakobus, Andreas, Matthäus, Philippus, Bartholomäus, Thomas, Thaddäus, Simon. Dann kam der Jesus und gleichzeitig Sparkassendirektor von Altötting an die Reihe. Daneben standen Maria Magdalena, die Jungfrau Maria und eine weitere Handvoll Darsteller, die alternierend die anderen Rollen zu spielen hatten. Also den Barabbas, den Pilatus und auch die Blinden und Lahmen. Neben das Ensemble reihte sich dann der Spielleiter Josef »Sepp« Niederbühler, bürgerlich pensionierter Volksschullehrer an der Grund und Hauptschule und der frühere Leiter der Schultheatergruppe, ein. Daneben stand Manuel, der Assistent von Niederbühler und gleichzeitig Pater im Kapuzinerkloster, der auch studierter Theologe und für die Beichtabnahme, den Gottesdienst, die Wallfahrtsseelsorge und die Organisation des Pilgerwesens zuständig war. Pater Manuel war ein junger Bursche mit Milchgesicht und akkurater Scheitelfrisur. Dann war da noch die Souffleuse Annemarie. Ein dralles Mädchen mit roten Backen und von Beruf Andenkenverkäuferin. Nach der Vorstellung gab es das erste Beschnuppern und ein verhaltenes Naserümpfen. Obwohl es im Prinzip ganz freundschaftlich war. Einerseits waren alle frohgemut. Andererseits gab es auch keinen Neid. Komisch, hat Plotek gedacht, Neid und Missgunst sind im Prinzip bei Schauspielern normal. Warum sollen also Laien anders sein? Auch hier geht es doch um Eitelkeiten und

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