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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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wieder ins Spiel. Und den bekam Arno jetzt zu spüren.
    »Ich spiel den Jesus oder ich spiel nichts«, hat Plotek ganz ruhig gesagt, dass Arno ganz gut zuhören musste, damit er überhaupt etwas verstehen konnte.
    Hat er dann doch. Arno hätte es auch verstanden, wenn er nichts gehört hätte. Weil der Blick von Plotek jetzt wie Sodom und Gomorrha war. Die Folge war, dass Arno das erste Mal wie abgestellt war, ausgeschaltet, sprachlos. Plotek dagegen war ganz bei sich selbst, beim eigenen Hirn. Das Kopfschmerzpulver war zu spüren, soll heißen, die Kopfschmerzen wurden weniger. Plotek merkte, wie die Schmerzen von der rechten Schläfe, wie ein Stromstoß jetzt, aber ganz langsam, vom Nacken hinaufzogen, den ganzen Schädel hoch und dann – unglaublich, aber Plotek hätte es schwören können –, als ob ein Loch im Kopf gewesen wäre, machte sich der Schmerz durch die Schädeldecke hindurch davon. Plotek war plötzlich klar in der Birne wie ein Bergsee. Wie der Poschinger Weiher, aus dem man trinken kann und dessen Wasser besser ist als das Adelholzner. Die Kopfschmerzen waren zwar wie weggeblasen, dafür zog aber eine plötzliche Übelkeit in ihn ein.
    Plotek ist aufgesprungen vom Tisch, raus aus der Gaststube, rein in die Toilette, Kabine zu und hat alles im hohen Bogen der Schüssel übergeben. Beim Anblick von diesen Brocken, schwimmend auf Keramik, wäre erst recht eine Übelkeit die Folge gewesen, hätte man denken können. Aber das Gegenteil war der Fall. Die Übelkeit war wie weggespült, dafür ist der Kopfschmerz wieder zurückgekehrt, zwar nur leicht, aber immerhin. Und dann hat Plotek den Kopf wieder von der Schüssel hochgehoben und direkt auf die weiße Resopalwand geblickt und da: wieder Überraschung. Mit schwarzem Edding-Filzstift stand auf der Wand »VERSCHWINDE!« und drunter »sonst« und dann Punkt, Punkt, Punkt. Drei Punkte hintereinander, die einen Raum für die eigene Assoziation schaffen sollten. Sehr freundlich, hat Plotek noch gedacht und die Schrift genauer betrachtet. Es war keine Krakelschrift, sondern Großbuchstaben, die wie kleine Türme aufrecht standen. Es war eindeutig eine andere Schrift als die auf dem Brief und dem Zettel.
    »VERSCHWINDE, sonst. . .«, war ziemlich deutlich. Noch deutlicher wurde der Arno jetzt vor der Kabine.
    »Also gut, du spielst den Jesus, aber sag niemanden was davon, ich mach das schon!«
    Als Plotek dann wieder aus der Kabine kam, war Arno schon weg. Und auch Plotek war gedanklich bereits beim Jesus. Obwohl er der Schauspielerei bewusst aus dem Weg gehen wollte, wegen Marburg, war er jetzt schon wieder völlig darin verstrickt. Der Theatervirus war quasi erneut aktiv.

5

    In der Nacht um halb eins klingelte wieder das Telefon. Dieses Mal war es aber kein anonymer Anrufer, also keine verstellte Stimme, sondern ganz klar. Es war Pater Manuel, der Assistent vom Spielleiter Niederbühler. Mitten in der Nacht, hat Plotek noch gedacht, als Manuel schon gesagt hat: »Verzeihen Sie die Störung . . .« Und noch ehe Plotek irgendetwas sagen konnte, hatte er sich schon vielmals entschuldigt.
    Also hat Plotek »Ist gut!« gesagt, weil, wenn jemand schon ein schlechtes Gewissen hat, ist es eigentlich überflüssig, ihm ein noch schlechteres zu machen.
    »Aber es ist wichtig!«, hat Manuel Plotek weiter durch die Muschel ins Ohr geredet.
    Ziemlich aufgeregt klang das, die Stimme überschlug sich fast. Das hat Plotek natürlich sofort gemerkt. Obwohl Manuel trotz allem sehr gefasst wirkte. »Mengele ist überfallen worden. Sie wissen, der Jesus.«
    Eine kurze Pause entstand, in der Plotek wieder ein Blick wie ein Schwamm ins Gesicht rutschte, aber dieses Mal nicht wegen der Kopfschmerzen. Ohne dass Manuel Plotek sehen konnte (weil Telefon), hat er die Informationen nur so aus dem Hörer gespuckt. Quasi telepathisch. Bei Manuel war das ja im Prinzip kein Wunder.
    »Mengele, der Sparkassendirektor! Ein Überfall auf die Altöttinger Kreissparkasse hat sich gestern Abend kurz nach Schalterschluss ereignet. Der Einzige, der noch da war, war der Mengele. Der Täter ist über den Frachteingang gekommen, hat Mengele brutal niedergeschlagen und 57 000 Mark entwendet. Das ist im Prinzip ja nicht weiter schlimm, deswegen rufe ich auch gar nicht an. Viel schlimmer ist, dass sich Mengele die Schulter dabei gebrochen hat. Mehr noch, beim Sturz sind auch noch die Bänder vom rechten Bein gerissen. Sie wissen ja, was das bedeutet.«
    Das wusste Plotek natürlich nicht so schnell,

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