Altoetting
allem. Also wieder Hypochondrie.
Plotek hatte auch noch andere Sorgen. Die Zeller, die Frau vom Fremdenverkehrsdirektor, und das Date. Zwar fand das nur zwei Stunden vor der Generalprobe statt, aber was soll’s. Plotek war Profi genug.
Als Plotek wieder zurück ins Hotel kam, ist er zunächst unter die Dusche, dann hat er neue Klamotten angezogen und einen Spritzer Eau de Toilette aufgetragen. Erstaunlich, aber Plotek ist jetzt gar nicht mehr so schlampig wie noch vor Tagen gewesen. Irgendwie hat er sich am Riemen gerissen. Und außerdem ist Duschen wie Autofahren, erstens entspannend und zweitens voller Ideen. Aber nur abends, deshalb hat Plotek auch immer nur abends geduscht. Morgens duschen war für ihn undenkbar. Abends dagegen wohltuend. Jetzt auch wieder. Als das Wasser auf seinen verfetteten Körper geprasselt ist und es die Wassertropfen dabei zerrissen hat, musste Plotek wieder an das Gemälde in der Gnadenkapelle denken. Und vor allem an den Engel, der über den Jüngern schwebte, die vierzehnte Person. Der Racheengel. War das womöglich Frau Zeller? Das Motiv Rache? Soll vielleicht die Annegret Topf gerächt werden? Aber von wem? Von Frau Zeller? Von Herrn Zeller? Oder gar von Manuel? Und vor allem warum? Plotek stand noch immer unter der Dusche, die Haut war schon ganz schrumpelig und aufgeweicht, die Finger wie Flossen, und die Zeit stand dabei still. Vor lauter Fragezeichen hat Plotek die Zeit aus den Augen verloren. Vorgekommen ist es ihm wie Minuten. In Wirklichkeit hatte er aber über eine Stunde unterm Wasserstrahl gestanden. Danach aber schnell, schnell, könnte man denken, weil es schon kurz vor sechs war. Aber vergiss es, Plotek doch nicht. In aller Seelenruhe ist er raus aus der Dusche und dann langsam losgelaufen.
Plotek ist nicht durch die Bruder-Konrad-Kirche, sondern quer über den Bruder-Konrad-Platz, an den Zuschauerbänken und der Bühne vorbei durch den Seiteneingang ins Kloster. Da dann die Treppen runter in den Heizungsraum. Da war eine Stahltür und die war offen. Düster war es und dunkel und es roch modrig-feucht im Keller. Natürlich ist es Plotek schon ein wenig unheimlich geworden, wegen zu viel Fernsehen, Krimi und allem. Aber ansonsten hatte er sich nicht allzu viel dabei gedacht. Er ist den Kellergang entlanggegangen. Dann ist wieder eine Tür gekommen. Auch die war offen. Jetzt war es ganz dunkel. Also hat Plotek sein Zippo aus der Tasche gezogen und im Flammenschein hat er schemenhaft Fässer an der Wand erkannt, Grabsteine und Kränze aus Plastik. Aber kein menschliches Wesen. Vielleicht doch schon zu spät, dachte Plotek und rief dann: »Hallo!«
Zuerst leise, dann lauter.
Zuletzt: »Frau Zeller? Sind Sie hier?«
Aber es kam keine Antwort. Es war also keine Frau Zeller hier, dafür ist die Tür mit einem Rums hinter Plotek wieder zugefallen. Tja, das war ein klassischer Anfängerfehler. Quasi in den Hinterhalt gelockt. Natürlich ging die Tür auch nicht mehr auf. Plotek war also in der Falle, zwei Stunden vor der Generalprobe. Und bei der Stahltür und dem fensterlosen Raum vielleicht für immer. Hier unten gefunden zu werden – vergiss es! Bei diesen Klostermauern wird jedes Schreien lächerlich. Höchstens per Zufall hätte ihn vielleicht jemand gehört. Aber wenn man auf den Zufall wartet. . . Keine Chance. Das Zippo ist wie zur Bestätigung auch ausgegangen. Und dann wieder typisch Plotek. Jeder andere wäre in Panik verfallen, in Hektik und totales Ausflippen. Plotek wurde dagegen ganz ruhig. Und plötzlich war auch der Kopfschmerz weg. Von jetzt auf nachher, in einem Augenblick. Kein Klopfen mehr, kein Pochen, kein Nichts. Bei der plötzlich steil abfallenden Lebenserwartung war die Computertomographie auch nicht mehr wichtig. Der Gehirntumor lächerlich. Da war eigentlich alles überflüssig. Also hat sich Plotek auf einen Grabstein gesetzt und gewartet. Da unten hätte er lange warten können, und eigentlich war das im Prinzip auch gar nicht so schlimm, wenn man weiß, worauf man wartet. Aber das wusste Plotek nicht.
Oder besser, er wollte es nicht wissen, weil das höchstwahrscheinlich nichts Gutes war. Entweder die Tür geht auf und die Befreiung erfolgt. Oder die Tür bleibt zu und alles ist zu Ende, aus. Und seltsam, Plotek hatte überhaupt keine Angst. Das wiederum versetzte ihn dann erst wirklich in Unruhe. Da steht der Tod vor der Tür, oder ist korrekterweise schon im Zimmer, und Plotek fürchtet sich nicht einmal, zittert auch nicht wie
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