Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
allerdings auch sein, dass sie ihn lediglich einsperren, um ihn für ihre Zwecke zu benutzen. In diesem Fall wird der Hohe Rat versuchen, ihn zu befreien – was natürlich auch misslingen kann.“
Miraj schwieg eine ganze Weile und Anne vermutete schon, er wäre eingeschlafen, als er fortfuhr: „Dass er die Prüfung nicht bestanden hat, bedeutet nicht, dass er nicht der Auserwählte ist, denn ich bin nach wie vor überzeugt, dass das niemand geschafft hätte. Allerdings spricht es nicht gerade für Henri, dass er sich hat provozieren lassen. Ein Zauberer braucht, um gut zu werden, mehr als nur außergewöhnliche Kräfte. Vor allem benötigt er einen eisernen Willen und menschliche Stärke. Und ich bin mir nicht sicher, ob Henri beides in ausreichendem Maße besitzt, um die Schwarzmagier zu besiegen. Aber meine Meinung wird letztendlich nicht zählen. Und nun – ruh dich aus.“
Kapitel 13: Die Grünmagier
Anne schlief die gesamte Nacht hindurch wie ein Stein und erwachte erst, als Miraj sie – ein wenig unsanft – anstieß. Im Gebiet der Grünmagier war es so warm, dass sie nicht einmal ihre Decken gebraucht hatten. Als Anne einfiel, was am vorigen Tag geschehen war, wurde ihr ganz elend zumute, doch sobald sie losgeritten waren, beruhigte sie sich wieder. Sie waren unterwegs zu diesem mächtigen Hohen Rat. Er würde Henri sicher aus den Händen der Schwarzmagier befreien.
Annes Aufmerksamkeit wurde nun von ihrer neuen Umgebung in Anspruch genommen, die immer grüner zu werden schien, je weiter sie ritten. Den ganzen Weg über verfolgten sie exotische Vogelstimmen, die Anne noch nie zuvor gehört hatte. Als sie ihre nächtliche Ruhestätte etwa eine Stunde hinter sich gelassen hatten, begegneten ihnen die ersten Menschen. Anne hatte sich gefragt, ob die Magier irgendwie äußerlich zu erkennen sein würden, aber sie sahen kaum anders aus als Annes frühere Nachbarn, wenn ihre Haut auch etwas dunkler wirkte. Miraj war ihrem umherschweifenden Blick gefolgt und erklärte: „Die Leute, die du hier siehst, sind überwiegend Menschen von meinem Volk. Sie leben in diesem Teil der Schutzzone, dem sogenannten äußeren Ring, deswegen trifft man sie fast nur hier und in der Nähe der Universität an. Wir werden bald an einen weiteren Steinkreis kommen, der uns näher ins Innere, in den dritten Ring, führt. Früher war es dem roten Volk nicht gestattet, diesen Steinkreis zu durchschreiten, und er war geschützt, ganz wie der Kreis, den wir gestern durchquert haben. Heute ist der magische Schutz nicht mehr wirksam und die Grenze besagt nur noch, dass es ihnen nicht erlaubt ist, ihre Häuser darüber hinaus zu bauen.“
Anne runzelte die Stirn: „Warum dürfen denn die roten Menschen nicht jenseits des Ringes wohnen?“ Miraj lächelte gequält. „Ich sagte dir ja bereits, dass das Vertrauen der Grünmagier in mein Volk etwas eingeschränkt ist. Außerdem sind die jeweiligen Völker meist lieber unter sich. Es gibt noch zwei weitere Steinkreise innerhalb der Schutzzone. Einer befindet sich an der Grenze zwischen dem Bereich des gelben Volkes und dem der Grünmagier. Dieser Eingang ist zwar nicht magisch geschützt, wird aber bewacht, so dass außer den Grünmagiern nur die Lehrenden und Studenten der Universität Zugang haben. Wir werden diesen Steinkreis heute noch passieren. Aber sei unbesorgt, der Smaragd wird dir den Zutritt gewähren.“ – „Und was ist mit dem letzten Steinkreis?“, wollte Anne wissen. Miraj machte eine gewichtige Miene. „Nun, der letzte Steinkreis darf nur auf Einladung hin betreten werden. Aufwendige Abwehrzauber sorgen dafür, dass niemand sonst den Kreis passieren kann. Denn im inneren Ring leben die Mitglieder des Ordens, dem Gwynda und deine Mutter angehörten. Es ist ein heiliger Ort, den nur sehr wenige kennen. Ich selbst durfte ihn nur einige Male besuchen. Ich bin mir nicht sicher, ob dir diese Ehre je gewährt wird. Henri wurde nie dorthin geladen, obwohl er Isadoras Sohn ist.“
Anne konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Grünmagier ein misstrauisches Volk waren. Hoffentlich habe ich nicht allzu viel mit ihnen zu tun, dachte sie bei sich. Zwar genoss sie die herrliche Umgebung, die jene geschaffen hatten, doch schienen sie anderen Völkern gegenüber nicht sehr offen zu sein. Sympathie empfand Anne dagegen für das rote Volk. Diese Menschen hatten zu ihrem Bruder gehalten. Es tat ihr leid, dass man ihnen das Wohnen in den inneren Ringen nicht
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