Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
trat heraus. Jana sagte etwas zu ihr, was Anne nicht hören konnte, dafür war sie noch zu weit weg. Doch schon kamen beide auf sie zu. Jana ging gleich an ihr vorbei und rief ihr zu: „Ich muss mich beeilen, Anne. Folge meiner Schwester.“ Anne warf ihr einen hasserfüllten Blick zu. Die andere würde nun zu Miraj gehen, der sie, Anne, im Stich gelassen hatte. Hätte Anne einen Zauberspruch gekannt, mit dem sie Jana in irgendetwas verwandeln konnte, so hätte sie ihn benutzt. Doch ehe sie ein Wort sagen konnte, hakte die blonde Frau sie unter und der Hass verschwand, als sei er zerplatzt wie eine Seifenblase.
Die blonde Frau führte Anne die Treppe hinauf in einen Raum, wo bereits eine ältere Dame in einem smaragdfarbenen Umhang mit pechschwarzem Haar, das sie kunstvoll aufgetürmt trug, auf sie wartete. Die Blondine verschwand und ließ Anne mit der Dame allein. Diese kam lächelnd auf sie zu und blickte ihr gerade in die Augen. „Guten Tag, Anne, Isadoras Tochter. Willkommen beim Orden der grünen Schwestern. Wie fühlst du dich?“ Anne wusste nicht, wie sie sich fühlte. Seit sie diesen Raum betreten hatte, war vollkommene Leere in ihrem Kopf. „Ich … mir ist so seltsam“, antwortete Anne und fügte schnell hinzu: „hohe Schwester.“ Die Oberin blickte sie mitleidig an. „Ich sehe, du bist noch etwas mitgenommen von der Reise durch den Steinkreis. Ich werde dir erklären, was mit dir geschehen ist. Komm, setz dich hier in diesen Sessel.“ Anne ließ sich ohne Widerworte in einen grünen Ohrensessel sinken und als ihr die Oberin eine Tasse reichte, trank sie gierig den heißen Punsch, der sich darin befand. Mit jedem Schluck fühlte sie sich weniger willenlos.
„Ja Anne, jetzt wird es langsam, nicht wahr?“, bemerkte die hohe Schwester. „Der vierte Steinkreis ist durch Zauber gut geschützt, um sicherzustellen, dass hier kein Unbefugter Zutritt erhält. Du bist eben durch ein sogenanntes Verstärkerfeld gekommen. Dieses Feld intensiviert die Gefühle unserer Besucher für kurze Zeit, so dass wir sehen können, welche Absichten sie hegen. In dir sahen wir Hass auf Jana. Willst du mir erklären, warum du so empfindest?“ Die Worte sprudelten einfach so aus Anne heraus: „Es ist wegen Miraj. Jana liebt ihn und das tue ich auch.“
Anne begriff nicht, warum sie das eben gesagt hatte. Die Oberin lächelte erneut. „Eifersucht – ein sehr menschliches Gefühl. Wir Grünmagier kennen es kaum. Wir lernen unsere Leidenschaften zu zügeln, damit sie unsere Magie nicht beeinträchtigen.“ Sie hielt kurz inne und sah Anne prüfend in die Augen. „Du bist selbst erschrocken vor deiner Antwort, nicht wahr? Nun, ich habe eine sehr seltene Gabe. In meiner Gegenwart ist es nicht möglich zu lügen. Jeder, der sich mit mir in einem Raum befindet, muss absolut ehrlich sein – sogar zu sich selbst.“ Sie reichte Anne eine weitere Tasse. „Du hast die erste Prüfung bestanden, denn du bist nicht in böser Absicht hierher gekommen. Eifersucht können wir verzeihen.“ Sie klatschte in die Hände und mit einem Schlag verschwand das dumpfe Gefühl in Anne.
Nun erst war sie in der Lage, ihre Sinne zusammenzuhalten und sich umzusehen. Der Raum wirkte groß und hell, weit größer als man von draußen vermutet hatte. Er musste mit Hilfe eines Zaubers erweitert worden sein. Von den Decken hingen Kerzenleuchter. Der Ohrensessel, auf dem Anne saß, stand ganz in der Nähe der Treppe. Vermutlich ging es allen Besuchern wie Anne, wenn sie hier herauf kamen. Auf der anderen Seite des Raumes war eine Tür, daneben führte die Wendeltreppe weiter nach oben.
Auf diese Tür ging die Oberin nun zu. „Folge mir, Anne.“ Der Raum war dunkel und Anne konnte nichts erkennen. Die Oberin klatschte wieder in die Hände und ein Teil des Raumes war plötzlich hell erleuchtet, obwohl nirgendwo Lampen zu sehen waren. Anne stellte nun fest, dass sie vor einem riesigen Spiegel stand. Wieder bemächtigte sich ihrer ein seltsames Gefühl. War es Stolz? Die Oberin wandte sich zur Tür. „Ich werde die Tür nun schließen. Du wirst dich eine Weile im Spiegel betrachten und wenn du wieder herauskommst, sagst du mir, was du gesehen hast.“ Schon war sie verschwunden. Anne war ein wenig unheimlich zumute, in diesem dunklen Raum mit dem riesigen Spiegel. Sie entschied sich, die Aufgabe so schnell wie möglich zu erfüllen, und konzentrierte sich.
Zunächst sah Anne zu ihrem Erstaunen gar nichts im Spiegel, ja, nicht einmal ein
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