Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
verdienten Anschiss und den Auftrag, auf der Stelle umzukehren und den Brandner Kaspar zu überzeugen, dass er nun doch in der Ewigkeit zu erscheinen hätte, und zwar sofort, damit die himmlische Liste wieder stimmt.
Eine wundervolle Geschichte, zu schön, um wahr zu sein, aber eine ziemlich passende Antwort auf die Frage nach den Gedanken an den Tod. Dass der
Aufenthalt auf Erden zeitlich limitiert ist, begreift so ziemlich jeder halbwegs Denkfähige früher oder später, nur Dummköpfe meinen, sie wären unsterblich. Was allerdings keiner weiß: Wann, wie und wo einen der »Boandlkramer« abholt, um ihn auf dem Bock seiner schäbigen Karre hinter dem klapprigen Ross in die Ewigkeit zu befördern.
Wir sind sozusagen »flüchtige Bekannte«, ich habe keine Angst mehr vor ihm.
Neben der unausweichlichen Realität des Todes steht für viele Menschen die Frage nach der Existenz Gottes.
Ich bin bekennender Agnostiker, Angehöriger der »Lehre von der Unerkennbarkeit des übersinnlichen Seins«, will heißen, ich bin nicht (mehr) in der Lage, an Gott zu glauben, wie die Institution Kirche es vorschreibt.
Meine Zweifel an »Gott, dem Allmächtigen« begannen im Zweiten Weltkrieg. Zuerst in den Bombennächten und später an der Front, wo Gottes Vertreter auf beiden Seiten den Kämpfern beibringen wollten, sie hätten Gottes Segen sich gegenseitig umzubringen. Dennoch habe ich Respekt vor jedem, der die Kraft für die Überwindung so vieler Schwierigkeiten im Leben aus einem tiefen Glauben bezieht.
Ich hüte mich, Menschen von ihrer Überzeugung abbringen zu wollen. Was nicht zu beweisen ist, ist auch nicht zu widerlegen. Und letztendlich beneide ich die Möglichkeit, sich mit allen Problemen einem Gott anzuvertrauen mit der Überzeugung, dass dieser sich bemüht, sie zu lösen. Wir Ungläubige haben es da wesentlich schwerer.
Helmuth Fuschl, österreichischer Theaterdirektor und Regisseur, legte mir vor Jahren das amerikanische Theaterstück »Mass Appeal«, von Bill C. Davis, auf den Tisch.
»Das Stück ist Ihnen auf den Leib geschrieben, damit sollten wir auf Tournee gehen!«
»Tournee? Nein danke, dafür bin ich zu alt!«
»Lesen Sie’s wenigstens, damit Sie wissen, was Sie versäumen!«
Der Mann war beharrlich.
Nach der fünften Seite gab es kein Entrinnen, der Stoff ließ mich nicht mehr los.
Ein alter Priester, dem Rotwein verfallen, der Kirche gehorsam. Diesem frommen »Sprücheabsonderer« wird ein junger, rebellischer Seminarist zur »Priester-Erziehung« anvertraut. Der Konflikt ist vorgezeichnet.
Ich rief Fuschl an.
»Sie haben recht, das muss ich spielen, und wenn ich dabei draufgehe!«
»Dann lassen Sie’s uns bearbeiten!«
Beim Studium der Rolle des alten Priesters wurde klar, welche Verantwortung ich übernehmen würde. Klar war auch, dass die religiöse Problematik des Stückes nicht unverändert ins Deutsche übernommen werden konnte.
Religion hat bei uns einen anderen Stellenwert. Wie erklärt man einem Amerikaner, dass in Deutschland für die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft Steuern zu zahlen sind?
Also schrieb ich das Stück um, änderte den dramaturgisch wichtigen, hierarchisch völlig anderen Umgang der Priester mit ranghöheren Gottesdienern. Dann schrieb ich neue Predigten, die weniger imperiale, dafür mehr deutsche Probleme zum Inhalt hatten und den Gläubigen unter die Haut gehen sollten, und fand schließlich den deutschen Titel »Der Priestermacher«.
Dieser Prozess fand in der Zeit statt, als ich nach drei Herzoperationen physisch und psychisch angeschlagen in der Reha-Klinik »Lauterbacher Mühle« an den oberbayerischen Osterseen lag. Dem »Boandlkramer« gerade noch mal entkommen, war ich für das Thema sensibilisiert. Die Konflikte Jung gegen
Alt, Gläubig gegen Ungläubig, Gehorsam gegenüber den kirchlichen Dogmen oder freie Auslegung nach eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen ließen ahnen, welche Gefahren da lauerten. Was könnte man mir vorwerfen? Eine Art Kirchenkampf vom Zaun zu brechen? Die moralische Integrität der Priesterschaft in Frage zu stellen? Die Dogmen der Kirche zu untergraben? Würde ich durch all das vielleicht sogar am Jüngsten Tag der ewigen Verdammnis anheimfallen?
Ein Monsignore aus Rom war ebenfalls Patient in der Reha-Klinik. Wie sich herausstellte, der Beauftragte des Vatikan für die Ausbildung von Priestern. Ich bat ihn um ein Gespräch im kleinen Café auf dem Hügel im Park. Diesem gab ich den Namen »Café
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