Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Bypass«.
»Monsignore, was ich da vorhabe, was wäre das Ihrer Meinung nach? Blasphemie, Sarkasmus, Polemik, Gotteslästerung gar...?«
»Wenn Sie so schreiben, wie Sie es mir jetzt erzählen, ist es die Wahrheit!«
Also schrieb ich. Wer hätte ahnen können, dass das Erzbischöfliche Ordinariat in München für die zweihundertdreißigste Vorstellung in der Komödie im Bayerischen Hof für Seine Eminenz, Friedrich Kardinal Wetter, zwei Plätze reservieren lassen würde.
Nach der Vorstellung beehrte uns der Gottesmann in der Garderobe. Gundel, meine Regierung, fasste sich ein Herz und bat den Kardinal auf ein Bier in den Palaiskeller. Zu unserer Überraschung akzeptierte er und signierte zunächst, sichtlich amüsiert, zur Freude der zahlreichen Gäste, die in der Vorstellung waren, Eintrittskarten, Speisekarten, Programme und was sie ihm sonst hinhielten. Bei den Programmen, mit den Bildern von Ralf Bauer und mir, setzte er seinen Namen lächelnd unter mein Konterfei als Priester.
»So was hab ich noch nie gemacht!«
»Eminenz, wie hat Ihnen das Stück gefallen?«
»Gut, sehr gut! An Ihnen ist ein Priester verloren gegangen. Sie waren recht überzeugend.«
»Sind Sie mit der Problematik einverstanden?«
»Vielleicht manchmal etwas überzogen, aber es ist die Wahrheit!«
Was für ein Kompliment aus dem Mund eines Kirchenfürsten.
Während der Spielzeit in der Komödie im Bayerischen Hof kamen viele Kleriker, unter anderen der evangelische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich und der damalige Abt vom Kloster Andechs, Anselm Bilgri.
Der außergewöhnliche Erfolg des Stückes hatte
sich herumgesprochen. Pater Anselm war begeistert. Ich erzählte ihm von unseren vergeblichen Bemühungen, das Stück dem Bayerischen Rundfunk als Fernsehaufzeichnung anzubieten. Die Absage war bemerkenswert: »Der Bayerische Rundfunk bedauert, das Stück nicht aufzeichnen zu können, die Anstalt steht dem Vatikan zu nahe!«
Was sollte das denn? Der Kardinal lobt, und der Bayerische Rundfunk lehnt ab?
»Wer war denn der Unglücksmensch?« Pater Anselm wollte es genau wissen.
»Die Ablehnung kam aus einer mir unbekannten Abteilung.«
Abt Anselm lachte.
»Ja, so ist das halt. Leider! Dabei besteht gar kein Grund, ich kenn das Stück ja schon!«
»Kaum möglich«, widersprach ich, »es ist die europäische Erstaufführung.«
»Weiß ich, ich hab’s ja auch nicht im Theater gesehen, sondern vor über zwanzig Jahren - im Vatikan!«
»Wo bitte?«
»Ja, im Vatikan! Dort gibt es eine nordamerikanische Kongregation, mit angeschlossenem Priesterseminar. Die haben sich das Stück aus Amerika kommen lassen und aufgeführt! Ich war dabei und wir waren begeistert!«
Hallo Bayerischer Rundfunk! Päpstlicher als der Papst?
Eine ganz wichtige Frage während der Vorbereitungszeit: Wer soll, wer kann den jungen Seminaristen spielen? Den Rebellen, der bereit ist, sein Leben der Kirche zu weihen, aber nicht als gehorsamer Diener des Herrn, sondern als streitbarer Geist, der die Dogmen der Institution nicht einfach schluckt, sondern kritisch hinterfragt.
Hoch über dem Circular Quay, mitten im Herzen von Sydney, meldet der Computer den Eingang einer E-Mail.
»Wir haben mit den Dreharbeiten zu ›Tristan und Isolde‹ begonnen. Unser Hauptdarsteller, Ralf Bauer, macht den Eindruck, als scheue er sich, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, wenn er ohne Partner vor der Kamera steht. Wann kommst Du, um als König Marke einzusteigen?«
Zwei Wochen später traf ich diesen idealen Tristan am Set. In einer alten Ruine bei Saint-Malo in der Bretagne. Eisiger Wind pfiff durch das alte, verfallene Gemäuer. Das Team bibberte vor Kälte, und das trotz ganzer Fässer mit heißem Tee, die die Produktion anfahren ließ.
Für den ersten gemeinsamen Drehtag mit dem jungen Kollegen hatte die Produktion ausgerechnet die schwerste Szene im ganzen Film angesetzt.
Tristan, Neffe von König Marke, stirbt in den Armen seines königlichen Onkels, der ihm vergeben hat, dass Tristan ihn mit seiner jungen bildschönen Königin Isolde betrogen hat.
Für diese Szene gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gelingt, die Seelen der handelnden Figuren, also eine ganz junge und eine ganz alte, so glaubhaft darzustellen, dass die Zuschauer Rotz und Wasser heulen - oder aber es wird geballter Kitsch.
Schon bei der ersten Stellprobe brach das übliche Gebrabbel am Set ab, es wurde ungewohnt still. Plötzlich stand die halbe Belegschaft in dem
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