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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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nettes Stück, und eine gute Vorstellung von Ihnen beiden.«
    So formuliert einer, der einem schonend beibringen will: »Mit dir hab ich nichts im Sinn!« Einen Augenblick lang war die Versuchung, diesen Herrn in die Schranken zu weisen, groß. Was war das denn? Wollte er sein Mütchen kühlen für Absagen, die ich ihm für schlechte Rollenangebote gegeben hatte? Rollen, die immer nach dem gleichen Strickmuster geschrieben waren. Leichte Kost, bei der die Zuschauer von vornherein ahnen konnten, wie’s weiter- und wie’s ausgeht, wer der Böse und wer der Gute ist, wer wen bescheißt, im Geschäft oder im Bett. Die Jungen haben Probleme, die Alten lässt man sterben, damit die Jungen noch mehr Probleme erben.
    Der Jugendwahn regiert, ansonsten gibt es die »Quotenalten«. Kommt mal ein Buch auf den Tisch, bei dem man meint, daraus könnte was werden, heißt es meistens: »Für Änderungen ist keine Zeit. Das Buch ist so abgenommen, die Finanzierung steht bereits!«

    Das Todesurteil für manch gute Story. Das neue Kriterium heißt: »Gut genug!« Für wen oder was? Für die Fernsehanstalt? Für Redakteure? Für Produzenten? Für die Schauspieler? Oder gar für die Zuschauer? Gut genug für wen also?
    Dieser Mann war meiner Meinung nach Verwalter mittelmäßigen Geschmacks. Er weiß es nicht besser. Was bleibt einem da? Wenn du dir das leisten kannst, in Ordnung, dann lehnst du eben ab und basta. Wenn aber nicht, aus welchen Gründen auch immer, nimmst du an, zähneknirschend, weil du weißt, es ginge besser, aber du akzeptierst unreifen Käse und spielst, nach bestem Wissen - aber ohne Gewissen.
    Zugegeben, für mich war das bisher ein Randproblem.
    »Ich lebe vom Absagen«, sagte ich hier und da. War das möglicherweise etwas zu großmäulig? Jetzt, in der »Nach-Priestermacher-Ära« hatte ich plötzlich Zeit für eine Art Hirn-Inventur, Bestandsaufnahme von dem, was war, von dem, was ist, und von dem, was noch kommen könnte.

Zeitlich limitiert
    Was ist im Langzeitgedächtnis hängen geblieben? Der Kohldampf der Nachkriegszeit, die Schiebereien auf dem Schwarzmarkt, die Arbeit im Kohleflöz. Der Vater, wegen unsinniger Vorwürfe bezüglich seiner politischen Vergangenheit im Knast, die Mutter allein mit drei Söhnen, zwei kleine und ein großer, der aus der Kriegsgefangenschaft relativ unbeschädigt heimgekehrt war und unfreiwillig die Vaterrolle übernehmen musste. Lebensmittelbeschaffung auf illegale Weise, Ermahnungen zu Ordnung und manchmal ein paar Maulschellen. Die fand ich damals a) berechtigt, b) notwendig und c) tun sie mir heute unendlich leid.
    Rehabilitation und Entnazifizierung des Vaters, Gründung einer gemeinsamen Firma, in der Vater und Sohn an verschiedenen Enden vom Strick zogen. Der Vater Typ königlicher Kaufmann, der Sohn eher vom Schlag: Erst der Magen, dann die Moral. Das konnte nicht gut gehen.
     
    Der Tod des mittleren Bruders; Wilfried hieß er, war blond und hatte blaue Augen. Sie wurden blind, weil seine Nieren versagten und es keine gab, die man hätte transplantieren können. Mag sein, dass man den abberufenen Bruder post mortem verherrlicht, aber
ich glaube, dass er das Genie der Familie geworden wäre. Er war streitbar, glaubte nichts und niemand, bevor man ihn überzeugt hatte, was schwer genug war. Deswegen manchmal die Maulschellen. Sie tun mir heute noch weh. Verzeih mir, Bruderherz!
    Dann der Jüngste, Otmar, liebens- und beschützenswert. Noch zu klein, um zu begreifen, wie beschissen die Welt sein kann und wie viele in ihr leben, die davon leben, und zwar gut. Gutherzig und gutgläubig, hilfsbereit und loyal bis zum Gehtnichtmehr.
    Und die Mutter? Eine Schwäbin durch Generationen. Was das heißt? Typ KKK - Kinder, Küche, Kirche. Vielleicht in umgekehrter Reihenfolge. Sie machte den Versuch, uns nach der Devise zu erziehen: »Der Herr wird’s schon richten!«
    In mir keimte früh der Verdacht, dass sich der Herr mit dem Richten relativ schwertat. Besonders im Krieg. Danach war ja auch einiges los, was einen an seiner Allmacht zweifeln lassen konnte. Oder warum musste der Bruder mit zweiundzwanzig sterben, der Vater ins Gefängnis, obwohl er wirklich keiner Fliege was zuleide tun konnte? Als sein Ältester ihn mit seinem Geschäft allein sitzen ließ, sein Mittlerer wenige Jahre später in seinen Armen starb, ahnte er wohl, dass seine Kraft zu Ende ging. Vielleicht sah er damals auch den »Boandlkramer«, mit Ross und Karre
auf der Lindemannstraße in Düsseldorf, unter

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