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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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bedenklichere Auswirkungen hatte der »Zweite Frühling«, der mich offenbar mit fünfundvierzig erreichte.
    Die »senile Bettflucht« wird allgemein als Folge des beginnenden Alters gewertet. Bei mir scheint es eine genetisch bedingte Veranlagung zu sein. Soweit ich zurückdenken kann, brauche ich kaum mehr als maximal vier Stunden Schlaf. Eigentlich reichen drei,
mehr halte ich für Zeitverschwendung. Zwischen vier und fünf Uhr ist für mich die Nacht vorbei, die körpereigene Überlaufsicherung meldet sich, danach lohnt sich das Hinlegen nicht mehr, der Kopf fängt an zu arbeiten und gibt keine Ruhe.
    Der zweiräderige Donnerbalken lockte den Fünfundvierzigjährigen, das Bein in aller Herrgottsfrüh über den Sattel zu schwingen, Gas zu geben und in die frische Morgenluft zu brausen. Egal wohin. So auch an einem Tag, der allerdings für andere Aktivitäten vorgesehen war, nur eintausend Kilometer weiter nördlich.
    Auf der A 9, im Voralpengebiet, gab ich Gas bis zum Anschlag. War das ein Sound des 750 ccm Motors, vom Rausch der Geschwindigkeit ganz zu schweigen! Im Anblick der schneebedeckten Gipfel der Alpenkette vergisst man leicht Raum und Zeit...
    Bis der Magen knurrt. In der Vorfreude auf das von liebender Hand vorbereitete Frühstück steuerte ich, nichts Böses ahnend, heimwärts. Vor unserem Haus winkte »meine Regierung«, glücklich mich heil wiederzusehen, so dachte ich. Aber je näher ich kam, desto deutlicher sah ich, Gundels Winken hatte etwas Verzweifeltes, musste mit einer Katastrophe zu tun haben. Vor Aufregung hüpfte sie auf der Stelle, was sie rief, blieb unverständlich. Der Helm! Runter damit.

    »Jürgen Roland hat angerufen, du sollst seit einer Stunde im Studio Hamburg drehen!«
    »Ach du Scheiße!«
    Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ich noch nie, wirklich noch nie (!) zu spät in ein Studio gekommen bin! Und ausgerechnet bei Jürgen Roland vergesse ich gleich einen ganzen Drehtag!
    »Was mach ich jetzt?«
    »Ruf ihn an, er wartet.«
    »Und was sag ich ihm?«
    »Die Wahrheit!«
    »Die Wahrheit? Der bringt mich um.«
    Jürgen Roland bleibt am Telefon gelassen.
    »Na Alter? Bisschen Mist gebaut - wie? Kann schon mal passieren, wenn man älter wird!«
    »Ich hab ein Motorrad und bin...«
    »Lass gut sein - ich weiß, was du hast - du hast Hummeln im Arsch, der zweite Frühling hat dich erwischt, da setzt das Hirn schon mal aus...!«
    »Kannst du auf Nachmittag verschieben? Ich chartere einen privaten Jet! In drei Stunden kann ich da sein!«
    »Nee, lass man, wir haben schon jemanden, der für dich einspringt.«
    Pause.
    »Ich hab der Produktion gesagt, dass dir auf dem
Weg zum Flugplatz schlecht geworden ist. Ist das klar?«
    »Danke Jürgen!«
    »Da nicht für...! Du schuldest mir was!«
    Meine Motorradbegeisterung hatte einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Den Rest gab mir ein Unfall, der böse hätte enden können. Bei einer Parkplatzausfahrt, an einer steil abfallenden Straße in Südtirol, hörte mein sonst noch ganz intaktes Reaktionsvermögen plötzlich auf zu funktionieren. Von unten kam ein Fiat mit Volldampf heraufgeschossen. Natürlich hatte er Vorfahrt. Bergauf hat immer Vorfahrt! Plötzlich hatte ich Nebel im Hirn, wusste nicht mehr, mit welchem Hebel man was macht und - rummmms - lag ich unter der Stoßstange des italienischen Kleinwagens. Mit Helm, unverletzt, am Körper wenigstens. Verletzt aber war mein Selbstwertgefühl, oder war es Eitelkeit?
     
    War die Zeit gekommen, darüber nachzudenken, ob du im »Mittelalter« immer noch über Tisch und Bänke springen, immer noch den »Hans Dampf in allen Gassen« spielen, den unbesiegbaren Helden markieren sollst?
    Der Einsicht folgt auf dem Fuß die Erkenntnis, dass alles leichter gesagt als getan ist. Dir wird klar, du gehörst
in eine Schublade, an der außen draufsteht, was drin ist. Zwei Möglichkeiten hast du: Du versuchst, dich zu ändern, dann stimmt der Inhalt nicht mehr. Die Schublade bleibt zu, der Inhalt wird nicht mehr gebraucht. Im günstigeren Fall erlaubt man dir, die Schublade zu wechseln, legt dich in einem anderen Fach ab. Dort aber wartest du ewig und drei Tage, bis sie zufällig einer mal wieder aufzieht.
    Eine Zäsur im Leben. Wiederum bleiben dir zwei Möglichkeiten: Entweder du grantelst permanent in der Gegend herum und machst dich zum Gespött! Als beleidigte Leberwurst erringst du auch nicht gerade Freunde, also versuche, damit klarzukommen und mach das Beste daraus! Nur: Was ist das

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