Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
ungezählte Stunden in wackligen Flugzeugen in die unendlich weiten, gottverlassenen Gebiete des Outback, bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter, um verunglückte Farmer oder kranke Kinder ins nächste Krankenhaus zu bringen, um sie vor dem sicheren Tod zu retten.
Jüngst wurde der erste »AIRBUS 380« im Dienst der australischen Airline QANTAS auf ihren Namen getauft.
Nancy Bird und Elly Beinhorn, zwei große alte Damen der Luftfahrt. Beide wurden zwar nicht mit Staatsbegräbnissen, aber mit Luftparaden in Berlin und Sydney geehrt.
Jetzt stand Nancy Bird-Walton also mit den Glowatzkis am Ausgang der Zollkontrolle und wartete auf das, was da aus Deutschland kommen sollte.
Nancy hatte einen Korb voll unbeschreiblich schöner Kamelien dabei. »Aus meinem Garten«, sagte sie und überreichte sie Gundel.
Vom ersten Moment an hatten wir das Gefühl, auf der anderen Seite der Erde willkommen zu sein.
Die Glowatzkis wurden unsere Berater, führten uns in die Sydney Gesellschaft ein. Brachten uns mit Leuten zusammen, die ihrer Meinung nach wichtig waren für unsere beruflichen Pläne. Bewahrten uns aber ebenso, und manchmal drastisch, vor Fehlern, die wir aus Unkenntnis anderer Sitten in einem anderen Land sicher gemacht hätten. Einen schon fast abgeschlossenen Hauskauf verhinderte Erich mit den Worten: »Nee, das koofste nich - da führen die Leute ihre Hunde spazieren, die dir alles vollscheißen!«
Wir kauften nicht!
Im Alter etwas Gutes tun. Wie sagte Erich Kästner: »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!«
Die drei taten es. Unendlich viele Möglichkeiten helfen alten Menschen, der Tristesse des Alters mit einem gehörigen Selbstwertgefühl zu trotzen: Ich werde gebraucht, ich kann anderen helfen, ich lass mich nicht in eine Ecke abschieben, in der ich vor mich hinmiefe. Ich lass mich nicht belächeln, wenn ich meine alten Knochen mühsam vorwärts schleppe,
ich lass mich nicht dumm anschauen, wenn aus dem Löffel in der zittrigen Hand die Suppe auf den Tisch tropft, ich erlaube keine schiefen Blicke, wenn ich mal wieder was Wichtiges vergessen habe, was immer öfter geschieht, ich kann’s nicht ändern, verdammt noch mal.
Altersgenossen, lasst euch nicht einschüchtern. Verkauft eure Erfahrungen nicht für einen Apfel und ein Ei. Immer wieder versuchen smarte Grünschnäbel uns irgendwie über den Tisch zu ziehen, uns etwas vorzugaukeln. »Die Alten merken das nicht mehr!« Meinen sie.
Mit Verwunderung stelle ich fest, dass die Printmedien im Regenbogenbereich das Thema »Alter und Tod« immer begieriger aufgreifen. Manchmal so dreist, dass man sich des Gefühls nicht erwehren kann, sie betrachten uns als Fossilien mit einer gewissen »Bringschuld«. Der Unterton bei solchen Interviewversuchen ist kaum noch zu überhören: »Wie lang wollen Sie es eigentlich noch treiben? Was hält Sie noch auf den Beinen? Haben Sie immer noch Pläne - und wenn ja, welche? Wollen Sie’s Johannes Heesters nachmachen?«
Was für eine dämliche Frage! Nein, das will ich nicht! Und ich bin es leid, zu erklären warum. Das ist einzig
und allein Johannes Heesters Angelegenheit, wie, warum und wie lange er noch Freude daran empfindet, nicht nur zu atmen, sondern auch noch zu arbeiten.
»Wie verbringen Sie Ihren Tag?«
»Ich stehe auf und hole mir die Zeitung, schlage zuerst die Todesanzeigen auf, lese sie aufmerksam durch - wenn ich nicht drinstehe, zieh ich mich an!« Genügt das?
In allen Redaktionen liegt für den Ernstfall in einer Schublade der Nachruf bereit, weswegen eine gewisse Erwartungshaltung besteht, was unser Ableben betrifft. Man wird ja wohl noch fragen dürfen!
»Sie waren schon wieder im Krankenhaus!«
»Leider!«
»Was Ernstes?«
»Was verstehen Sie unter ernst?«
»Na ja, so halt!«
»Hätten Sie’s vielleicht etwas präziser?«
»Wir haben gehört, dass Ihre Familie gerufen wurde - man soll mit dem Schlimmsten rechnen...!«
»Woher haben Sie diese Information?«
»Wir haben sie halt!«
»Ich verstehe - also gut - das Schlimmste ist ja nun auch eingetroffen - für Sie wenigstens - ich hab’s überlebt!«
»Wenigstens haben Sie Ihren Humor nicht verloren. Glauben Sie an Gott?«
»Das geht Sie eigentlich nichts an!«
»Unsere Leser interessiert das aber!«
»Dann sollen sich Ihre Leser in Glaubensfragen an ihre Gemeindegeistlichen wenden!«
Und doch will ich eine sehr persönliche Antwort auf die Frage nicht schuldig bleiben.
Nein, ich glaube nicht an einen bestimmten Gott.
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