Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Gott ist meiner Meinung nach ein Begriff, den jeder Mensch auf seine Weise deuten muss.
Gott ist für mich kein Wesen aus Fleisch und Blut. Kein gütiger, weißbärtiger Mann, der über Recht und Unrecht auf der angeblich von ihm in sechs Tagen erschaffenen Welt wacht.
Gott ist nicht allmächtig, aber allgegenwärtig.
Wer diesen Gott nicht in sich trägt, wird ihn nicht finden, in keiner Kirche, keinem Dom.
»Haben Sie noch Sex?«
»Das geht Sie noch weniger etwas an!«
»Sie sind sechsundfünfzig Jahre mit derselben Frau verheiratet. Wie macht man das?«
»Indem man dem Partner seine Persönlichkeit lässt. Ihn nicht als vertraglich erworbenes Eigentum betrachtet. Wir haben uns eine Formel erarbeitet, mit der wir ein Leben lang zurechtgekommen sind: Die
vier »V« - Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzichten - hört sich relativ einfach an, aber praktizier das mal, wenn’s drauf ankommt!«
»Sind Sie stolz darauf?«
»Vielleicht das Einzige in meinem langen Leben, worauf ich stolz bin. Das ganze Gerenne um alles, was man Erfolg nennt, Geld, Popularität, gesellschaftliche Anerkennung, das sind alles Ergebnisse der Bemühungen vieler. Vieler Menschen, die dir zugearbeitet, dich gelenkt, dir Chancen gegeben, dich geschubst oder gebremst haben.
Aber ein langes Leben mit einem Menschen zu teilen, der sich nicht verbiegen lässt, der seine eigene Meinung hat und sie nicht aufgibt, nur um der Bequemlichkeit willen, das ist sicher die härteste Prüfung, vor die wir gestellt werden. Dabei hilft dir keiner, das müssen die zwei mit sich selber ausmachen. Wer das schafft, glaube ich, darf stolz darauf sein.«
Was gehört noch zum Altwerden? Dass man sich die besten Ärzte leisten kann. Die besten, nicht die teuersten! Geh zu zehn »Weißen Halbgöttern« und du bekommst zehn verschiedene Diagnosen!
Ganz so schlimm ist es nicht, aber es ist etwas Wahres dran. Das Verhältnis Arzt-Patient beruht auf
Vertrauen, hängt von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit ab, wobei man als selbstverständlich voraussetzen kann, dass der Arzt sein Bestes gibt - aber ist das immer gut genug?
Du lächelst gequält, wenn dein Doktor dich mit umwölkter Stirn fixiert und eindringlich erläutert: »Ersetzen Sie Schweinsbraten mit Knödel und Soße durch gedünstetes Gemüse oder frischen Salat. Statt zwei halbe Helles oder einen halben Liter Roten, ein stilles Mineralwasser vielleicht. Beim gesunden, frisch gestochenen, Wasser treibenden und daher gesunden Spargel, aus Schrobenhausen oder Schwetzingen, lassen Sie die ungesunde Hollandaise einfach weg, das dazu empfohlene Wiener Schnitzel am besten auch. Die hochprozentige, ausgesuchte Walderdbeere, im eisgekühlten Glas, oder die Eiscreme mit dem dazugehörigen Schuss Wodka oder Champagner sind zugegebenermaßen ein beliebter Nachtisch, aber auch nicht gerade empfehlenswert für herzkranke alte Herren mit Vorhofflimmern, dicken Beinen und Übergewicht, um nur einige der zunehmenden körperlichen Malessen zu nennen.«
Soll ich die Liste fortsetzen?
Der Doktor ergänzt sie ohnehin durch weitere Verbote liebgewordener Gewohnheiten.
»Auch wenn es die Welt ist, in der Sie leben, sitzen
Sie weniger im bequemen Sessel vor dem Fernseher. Sie brauchen Bewegung, gehen Sie an die frische Luft. Treiben Sie Sport, oder schwimmen Sie, egal was, bewegen Sie sich...!«
Da sitzt du bei deinem Doktor, sinkst bei seinen Vorschlägen immer mehr im verchromten Praxissessel zusammen und versprichst am Ende das Blaue vom Himmel herunter. Dabei weißt du beim Verlassen der Praxis schon ziemlich sicher, was du alles nicht tun wirst.
»Es kann sein«, sagte mein Doktor in Sydney, »dass dich ganz plötzlich bleierne Müdigkeit überkommt! Wenn das passiert, leg dich sofort hin, ganz egal, wo du bist, und wenn’s auf der Straße ist! Leg dich einfach hin!«
Seither denke ich an diese bleierne Müdigkeit mitten auf der Leopoldstraße in Schwabing. Mach das mal! Im günstigsten Fall halten dich die Leute für betrunken.
»Vergessen Sie nicht, gesund werden ist letzten Endes auch eine Frage des Charakters! Ich weiß, es ist nicht leicht! Dazu gehört eben auch Disziplin«, setzte der Chef der Kardiologie am Harlachinger Klinikum noch einen drauf und lächelte freundlich!
Also bitte, was fängt man damit an? Hört man mehr auf den Doktor oder auf die Einflüsterungen
guter Wirte, die dich nur zu gut kennen und wissen, wo du anfällig bist?
Und schon bereitet dir der geliebte Schweinsbraten weniger
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