Alvion - Vorzeichen (German Edition)
die Meridias Armeen vor Theban hinnehmen mussten, waren verheerend und unfassbar hoch, nichts desto trotz hatten die verbliebenen Kämpfer eures Volkes letztlich keine andere Wahl, als sich in die Zitadelle zurückzuziehen, oder in die abgelegenen und unzugänglichen Regionen des Landes zu fliehen.“
Schon während Meliors Bericht hatte Urania zu Weinen begonnen, nun vergrub sie ihr Gesicht in den Händen und kämpfte gegen das Schluchzen an. Unter den Übrigen machte sich betretenes und ungläubiges Schweigen breit. Jeder von ihnen hatte schon einmal Theban besucht und es erschien unvorstellbar, dass diese herrliche Stadt völlig zerstört sein sollte. Dann jedoch bewies Melior sein untrügliches Gespür und seine Schlauheit, indem er den Bericht über den gewaltigen Sieg bei Perlia an den Schluss seines Berichtes stellte und so alle Anwesenden aus ihrer Trübsal riss, ihnen neue Hoffnung einflößte und grimmigen Triumph an die Stelle von Verzweiflung setzte. Der impulsive Motus schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang auf.
„ Na also, es konnte ja nicht ewig so weitergehen! Irgendwann mussten wir sie zum Stehen bringen! Es wird lange dauern, ehe der Feind im Westen weiter vordringen kann, denn er hat nichts als Wüste vor sich! Und im Süden müssen sie froh sein, wenn sie sich halten können!“, rief er mit triumphierendem Lächeln. Auch auf Saverios Gesicht stahl sich ein kleines, triumphales Lächeln, während die übrigen Versammelten durch kleinere Gesten ihre neu aufkeimende Zuversicht verrieten. Nur Urania blieb stumm und starrte weiterhin in Gedanken versunken, mit Tränen in den Augen auf eine Karte von Argion an der Wand.
„ Nehmt auch mein Mitgefühl entgegen, Urania, wenn erst weitere Armeen stehen, werden wir die Kräfte des Feindes binden und irgendwann auch wieder angreifen können. Dann werden wir daran gehen, den Feind aus Septrion zu vertreiben und auch Eure Heimat wird wieder frei sein!“ versuchte Motus ihr etwas Trost zu spenden und Zuversicht einzuflößen.
Es war deutlich zu hören, dass er übermütig war und fast schon mit Pathos in der Stimme sprach, auch wenn er dies zu verbergen suchte.
„ Verkauft ihr da nicht den Fisch, bevor ihr ihn überhaupt gefangen habt?“, erklang die spöttische Stimme eines Mannes von der Tür her. Wie auf Kommando drehten sich alle Köpfe zur Tür und blickten auf den Mann in einer langen schwarzen Kutte mit dem Wappen des Ordens vom Seelenwald auf der Brust. Die Kapuze hatte er abgestreift, sodass man sein Gesicht erkennen konnte: Zelio von Dhomay. Aus seinen Augen sprach große Weisheit und seine Aura verströmte eine geradezu mystische Ruhe und große Macht. Entgegen dem Spott in seiner Stimme verzog er keine Miene, sondern betrachtete aufmerksam die Anwesenden.
„ Seid willkommen, ehrwürdiger Zelio!“, grüßte Melior und erhob sich. „Ich hatte am heutigen Tag nicht noch einmal mit Euch gerechnet."
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Zelios Gesicht, als er Melior in die förmliche Anrede verfallen hörte.
„ Ich danke Euch, Melior, und grüße Euch alle!“, erwiderte er. „Ihr habt recht, eigentlich sollte ich längst im Archiv der Akademie bis zum Hals in alten Schriftrollen stecken, doch ich habe nicht bedacht, dass die Werke, die ich einsehen möchte, nur wenigen zugänglich sind. Seid so gut, Melior, und räumt mir nachher dieses Hindernis aus dem Weg! Natürlich könnte ich mich einfach darüber hinwegsetzen und niemand könnte mich daran hindern, doch noch drängt die Zeit nicht so, dass es angebracht wäre, es an der gebotenen Höflichkeit fehlen zu lassen.“
„ Ich lasse Euch sofort eine Vollmacht ausfertigen, die Euch jede Tür in Septrion öffnet, Zelio!“, versprach Melior. „Aber da Ihr nun schon hier seid, wollt Ihr nicht an unseren Beratungen teilnehmen?“
„ Gerne, Melior, zumindest eine Weile lang. Wenn es Euch recht ist, werde ich noch einige Eurer Wissenslücken füllen, die auch erklären werden, wie diese Erfolge im Süden zustande kamen.“
Nachdem er sich gesetzt hatte und sich alle Gesichter wieder neugierig auf ihn gerichtet hatten, begann er zu erzählen und wandte sein Gesicht mit einem Ausdruck des Mitgefühls an Urania.
„ Es wird Euch kein Trost sein, doch der hartnäckige Widerstand, den Euer Volk dem Feind entgegensetzt, veranlasste Molaar, weit mehr Soldaten nach Argion zu schicken, als vorgesehen, genauso wie das Geschick und die Macht meiner Brüder und Schwestern ihn dazu zwang,
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