Am Abend des Mordes - Roman
liegen. Du wirst schon bald in jeder Zeitung von dem Wunderwerk lesen können. In diesem Land und im Rest der Welt. Du hast mein Wort. Imperatorem stantem mori oportet.«
Barbarotti verzichtete darauf, sich die letzten Worte übersetzen zu lassen. »Schieß los«, bat er stattdessen und trank einen Schluck Kaffee. »Worum geht es in deinem Buch?«
Wallman räusperte sich, bewegte die Gesichtsmuskeln ein wenig und zog seine grüne Brille aus. »Die Wahrheit über Adolf Hitler«, sagte er anspruchslos.
Barbarotti nickte.
»Aufgezeichnet von seinem Enkelkind.«
»Was?«, sagte Barbarotti.
»Ja, genau«, kommentierte Wallman. »Das Ganze hängt folgendermaßen zusammen. Bist du bereit?«
»Ich bin bereit«, bestätigte Barbarotti.
Wallman räusperte sich umständlich, pochte mit dem Wanderstab auf den Fußboden und schob sich den Strohhut in den Nacken. »Also schön und wie folgt, mein Freund«, intonierte er ernst. »Seit Kriegsende haben immer wieder Spekulationen über die letzten Tage Hitlers kursiert, was wohl niemandem entgangen sein dürfte. Eine Menge spärlich untermauerter Theorien. Nun aber wird das wahre Bild präsentiert. Die endgültige Lösung, könnte man sagen, wenn es in diesem Zusammenhang nicht so furchtbar klänge. Mein Ausgangspunkt ist also, dass der verrückte Adolf Ende April 1945 nicht in dem berüchtigten Bunker starb – und für Eva Braun das Gleiche gilt. In Wahrheit hatten sich die beiden nämlich bereits im Januar desselben Jahres, in der Endphase des Kriegs, in Sicherheit gebracht, und in den schrecklichen letzten Monaten wurden ihre Rollen schlicht und ergreifend von zwei Kopien gespielt. Zwei Schauspielern, die in diese Rollen, nebenbei bemerkt, bereits einige Male zuvor geschlüpft waren. Auch sie zweifelsohne Verrückte, und sie, diese Ersatzleute, starben schließlich in dem Bunker. Adolf und Eva befanden sich zu diesem Zeitpunkt längst in Sicherheit außerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs.«
»Aha?«, sagte Barbarotti. »Also ich meine, eine ähnliche Variante schon einmal gehört zu haben. Das mit den Ersatzleuten vielleicht nicht, aber dennoch … wenn du entschuldigst, dass ich das sage.«
»Wohl wahr, gewiss«, sagte Wallman und schob seinen Hut in eine etwas offensivere Position. »Aber in diesem Fall schreibe ich nicht Geschichte, sondern einen Bestseller, vergiss das nicht. Ich mache Folgendes, ich führe den Beweis – gebe vor , den Beweis zu führen, sollte ich natürlich sagen –, dass das Liebespaar Hitler-Braun das Kriegsende in Wahrheit seelenruhig überlebte. Aber nota bene, nicht irgendwo in Südamerika, was die weitverbreitetste Wahnvorstellung ist, sondern in Schweden.«
»In Schweden?«, sagte Barbarotti. »Und warum? Ich meine, wie glaubwürdig …?«
»Ich habe dir doch gesagt, vergiss die Glaubwürdigkeit«, wiederholte Wallman und schluckte ein weiteres halbes Marzipanteilchen. »Tatsächlich lebten sie bis Ende der fünfziger Jahre auf einem Hof im südschwedischen Schonen. Neues Aussehen, die eine oder andere kleine Operation, weg mit diesem Schnäuzer, und natürlich höllische Diskretion, aber so war es. Es gab auch nach Kriegsende noch eine Menge Nazis in unserem Land, was ich dir vielleicht nicht sagen muss. Insbesondere in unseren südlicheren Landesteilen. Aber vergiss das, die Sensation, wegen der mein Buch bereits in dreizehn Länder verkauft worden ist, während zwanzig andere Schlange stehen, besteht darin, dass Adolf und Eva schon im Dezember 1945 ein Kind bekamen. Ein kleines Mädchen, das Brynhilde getauft wurde. Kurzum, da meine Maschine in Bälde abzuheben beabsichtigt, diese Brynhilde bekam dann wiederum eine Tochter, was Ende der siebziger Jahre geschah, wir befinden uns nach wie vor tief im schonischen Lehm, und diese Bettina hat nun das Buch geschrieben. Sie ist mein Pseudonym, das ist der Geniestreich. Bettina Braun, Hitlers Enkelin! Was sagst du dazu? Und ziemlich viel von dieser sensationellen Geschichte basiert auf Hitlers persönlichen Tagebüchern. Aus den zwanziger Jahren, der Marsch auf die Feldherrenhalle und so weiter, bis hin zu … tja, bis hin zu seinem Tod auf einem schonischen Bauernhof im Herbst 1958. In der Gegend von Sjöbo, um genau zu sein. Ich sehe, dass du erblasst, Genosse Rechtschaffen!«
Barbarotti dachte nach. »Mir fehlen die Worte«, erklärte er. »Wie heißt das Buch?«
»Hitlers dritter Rebus«, antwortete Wallman.
»Hitlers dritter Rebus?«
»Exactamente. Einfach und eingängig. Ein
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