Am Abend des Mordes - Roman
bekannter Name im Genitiv, eine Ordnungszahl, so konstruiert man den Buchtitel für einen Bestseller. Ergänzt um eine sanfte Mystifizierung … ein Chiffre, Rätsel, Code, was du willst. Aber der große Köder ist natürlich die Autorin. Kommst du noch mit?«
Barbarotti nickte.
»Schön, nun gut, Bettina Braun ist also fünfunddreißig Jahre alt und lebt unter einem angenommenen Namen in einem unserer nordischen Länder. Sie ist zweifellos ein Sprachgenie und arbeitet im täglichen Leben als Universitätsdozentin an einer nicht näher benannten Universität; Kopenhagen, Åbo, Lund, wer weiß? Man bedenke nur, dass sie ihr Werk eigenhändig in nicht weniger als neun andere Sprachen übersetzt hat. Ich hoffe, dir ist bewusst, dass dies in der Welt der Literatur absolut einmalig ist.«
»Du meinst, dass du …?«
»Exakt, Holmes«, deklarierte Wallman mit kleidsamer Bescheidenheit. »Tatsache ist, dass ich den ganzen Mist parallel in allen zehn Sprachen geschrieben habe, was dem schöpferischen Prozess einen zusätzlichen Reiz verlieh. Über sechshundert Seiten waren es am Ende – will sagen, mal zehn –, und gedauert hat das Ganze zwei Jahre. Aber jetzt ist die Sache in trockenen Tüchern, und ich kann wohl ohne zu übertreiben behaupten, dass der Zweite Weltkrieg fortan in einem ganz neuen Licht erscheinen wird. Wir haben die Bombe auf der Buchmesse in London im Frühjahr hochgehen lassen, und die Verleger standen, um mit einer etwas grobkörnigen Metapher zu sprechen, auf den Hinterbeinen wie geile Köter. Du wirst noch von Bettina Braun und Hitlers Rebus hören, das verspreche ich dir, Herr Wachtmeister!«
Barbarotti schwieg und grübelte, während Wallman sein letztes Marzipanteilchen verspeiste und mit einer halben Tasse Kaffee nachspülte.
»Und was ist mir dir?«, fragte Barbarotti. »Welche Rolle spielst eigentlich du in dieser … Staffage?«
Wallman lächelte und strich sich selbstzufrieden über seine blutrote Krawatte. »Agent«, sagte er. »Ich bin ihr Literaturagent. Ich führe die Verhandlungen mit allen Verlagen. Kümmere mich um alle Kontakte zur Presse. Vergiss nicht, dass Bettina Braun eine sehr menschenscheue Person ist. Es zieht sie nicht in die Öffentlichkeit, und sie will auf gar keinen Fall als Enkelin des schlimmsten Massenmörders der Weltgeschichte auftreten. Erklärt sich das nicht von selbst? Ich bin ihre einzige Verbindung zur Außenwelt.«
»Hitlers dritter Rebus?«, sagte Barbarotti. »Funktioniert das wirklich? Ich meine, sind die Leute heutzutage denn wirklich so gutgläubig?«
Wallman breitete die Hände aus. »Es ist nicht meine Sache, das Bewusstsein der Allgemeinheit zu erweitern. Ich hatte es nur satt, auf dem akademischen Müllhaufen zu sitzen, das habe ich dir doch schon erklärt. Während Krethi und Plethi mit Katzendreck reich werden. Was soll daran verkehrt sein, seine Redegewandtheit ein wenig zu prostituieren?«
»Okay«, sagte Barbarotti. »Ich verstehe. Könnte man eventuell ein Exemplar mit Widmung bekommen, wenn das Buch erscheint?«
»Aber immer«, erklärte Wallman. »Sag einfach Bescheid, in welchem sprachlichen Idiom du es haben willst. Es wird in jeder Sprache genau einhundert signierte Exemplare geben. Der Namenszug von Hitlers Enkelin in der Erstausgabe ihres sensationellen Debütromans … ich brauche wohl nicht zu erwähnen, welchen Preis dies bedingen wird? Vermutlich werden die Bücher bei Auktionen im Netz an Sammler verkauft werden. Aber du bekommst natürlich ein Freiexemplar, for old times’ sake.«
Der Gedanke, dass sich sein guter alter Freund vielleicht doch auf der Flucht aus einer Nervenheilanstalt befand, blitzte erneut in Barbarottis Kopf auf, aber er hatte keine Gelegenheit mehr, diesem Verdacht nachzugehen, da Wallman auf seine Armbanduhr schaute und erklärte, die Audienz sei beendet. »Ich darf den Aeroplan nicht verpassen«, stellte er fest. »Heute Abend habe ich in Malmö einen wichtigen Termin mit ein paar deutschen Journalisten. Pass auf dich auf, mein Freund, und melde dich mal, dann will ich sehen, ob ich irgendwann einen Abend für ein paar Bier einschieben kann.«
»Warum nicht?«, erwiderte Barbarotti erschöpft.
»Vergiss nicht, das Geheimnis mit all deiner Tugend zu verteidigen«, schärfte Wallman ihm ein. »Wenn du auch nur einen Mucks von dir gibst, bringe ich dich um.«
»Du hast mein Wort«, versicherte Barbarotti. »Selbstverständlich.«
»Fein«, sagte Wallman. »Friede sei mit dir, Wachtmeister
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