Am Anfang eines neuen Tages
nach Dr. Hunter schicken?“, fragte Mary. „Du siehst immer noch nicht gut aus.“
„Das ist nicht nötig. Mir geht es wieder besser. Bitte lasst uns allein und schließt die Tür.“ Als sie schließlich nur noch zu zweit waren, wusste Eugenia nicht, wo sie anfangen sollte. Sie sah ihre Tochter an, deren Tränen die ganze Zeit geflossen waren, und Jo sah so blass und verzweifelt aus, dass Eugenia Mitleid mit ihr hatte, auch wenn sie dieses Elend selbst über sich gebracht hatte. „Sag mir die Wahrheit“, sagte Eugenia leise. „Hatte Daniel wirklich vor, diesen Mann zu töten?“
„Ja. Ich habe sie gestern Nacht reden gehört. Sie wollten es wie einen Unfall aussehen lassen.“
Eugenia schloss die Augen. Wie konnte ihr Sohn nur so etwas tun? Sie sollte Josephine dankbar dafür sein, dass sie einen Mord verhindert hatte, aber um welchen Preis? Ihre eigene Familie an den Feind zu verraten? Sie öffnete die Augen wieder und sah Josephine an. „Hat der Yankee deine Tugendhaftigkeit beschmutzt?“
„Nein! Natürlich nicht! Als Mary uns im Wald gesehen hat, haben wir uns nur unterhalten. Wir sind Freunde. Er ist ein ehrenhafter Mann –“
„Er ist nicht ehrenhaft, sonst hätte er sich nicht ganz allein mit dir getroffen. Er hätte dir nicht hinter meinem Rücken und ohne die Erlaubnis deiner Familie Briefe geschrieben. Wie hat er dir diese Briefe eigentlich geschickt?“
Josephine starrte auf ihren Schoß hinunter. „Die Kinder haben sie mir von der Schule mitgebracht.“
„Die Sklavenkinder? Nach allem, was ich dir darüber gesagt habe, wie wichtig es ist, sich standesgemäß zu verhalten? Das hast du alles missachtet? Ist es nicht schlimm genug, dass du dich selbst ständig wie eine Sklavin benimmst und ihre Arbeit für sie machst?“
„Daniel irrt sich in Bezug auf die Sklaven. Sie sind keine gewalttätigen Menschen und sie werden uns nichts tun. Sie wollen nur in Frieden leben, so wie wir.“
Eugenia atmete geräuschvoll aus. Sie wusste, dass sie Josephine verloren hatte. Sie wusste nicht, wie oder wann es geschehen war, aber ihre Tochter hatte sich von ihr entfernt, und sie wusste nicht, wie sie sie wieder zurückholen sollte. „Liebst du diesen Yankee? Sieh mir in die Augen, Josephine, und sag mir die Wahrheit.“
Josephine blickte auf und wischte sich eine Träne von der Wange. „Ja. Und er liebt mich auch.“
„Himmel hilf …“
„Du weißt bestimmt, wie ich mich fühle, Mutter. Niemand kann etwas dafür, wenn er sich verliebt! Aber nimm einmal an, du hättest Daddy nicht heiraten können oder wärst gezwungen worden, jemand anderen zu heiraten? Was hättest du getan?“
„Das ist nicht die Frage, die sich uns jetzt stellt, nicht wahr? Unter diesen Umständen kann ich keine Ehe mehr mit einem deiner Verehrer arrangieren. Du wirst dich damit abfinden müssen, den Rest deines Lebens allein zu verbringen.“
Josephine antwortete nicht. Eugenia dachte an die Träume, die sie vor dem Krieg für ihre Familie und für sich selbst gehabt hatte. Alle diese Träume waren zerstört worden und trotzdem hatte sie den Mut und die Kraft gehabt, noch einmal von vorn anzufangen. Sie hatte es gewagt, von einer glücklichen Zukunft zu träumen, einer veränderten Zukunft für sich und ihre Kinder. Jetzt zerfielen selbst diese neuen Träume zu Staub.
„Oh, Josephine“, murmelte sie. „Wie konntest du …? Wie konntest du nur?“
Josephine stand auf und schlang die Arme um Eugenia, während sie an ihrer Schulter weinte. „Es tut mir leid, Mutter … Es tut mir schrecklich leid.“
Kapitel 32
Josephine saß neben ihrer Mutter auf dem Sofa, den Arm um sie gelegt, und fragte sich, was sie als Nächstes tun sollte. Es schien, als würden die Tragödien und der Kummer nie aufhören und als sei eine Lösung unmöglich. Nach einer albtraumhaften Nacht voller Angst und Freude, Gewalt und Zärtlichkeit hatte der Morgen dem Aufruhr der Gefühle kein Ende bereitet. Josephine konnte kaum an etwas anderes denken als an Alexander, an seine Küsse, die Wärme und den Trost seiner Umarmung – und die Leere, die sein Verlust in ihr auslöste.
Ihre Mutter holte sie in die Gegenwart zurück. „Was sollen wir wegen Priscilla und Harrison unternehmen?“, fragte sie. „Es wird Priscilla das Herz brechen, weißt du. Sie hatte sich so darauf gefreut, dass du ihre Schwiegertochter wirst.“
„Ich wollte Harrison nie heiraten. Und Henry Schreiber auch nicht.“
„Weil du in den Yankee verliebt
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