Am Anfang eines neuen Tages
wohin sie gehen sollen, also wurde diese Agentur von der Regierung gegründet, um Ihnen zu einem neuen Anfang zu verhelfen. Und da die Lebensmittel hier knapp sind, versuchen wir außerdem dafür zu sorgen, dass Sie alle genug zu essen haben.“
„Danke, Sir“, sagte Otis. „Miz Eugenia sagt, sie sorgt für uns, wenn wir weiter für sie arbeiten, aber die Weißen haben auch nicht viel zu essen.“
„Sie können gleich heute Abend ein paar Vorräte mit nach Hause nehmen. Haben Sie Kinder?“
„Ja, Sir“, sagte Lizzie. „Drei.“ Mr Chandler lächelte wieder und sie dachte, dass er ein sehr zufriedener Mann sein musste. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass er mit ihnen sprach, als wären sie weiß wie er und säßen in seinem Wohnzimmer. Sah er nicht, dass sie schwarz waren?
„Wie alt sind Ihre Kinder denn? Im Schulalter?“
Lizzie musste kurz nachdenken. Sie behielt den Überblick über das Alter ihrer Kinder, indem sie die Pflanzzeiten zählte, die seit ihrer Geburt vergangen waren. „Jack ist sechs, Rufus acht und meine Tochter Roselle ist fünfzehn.“
„Ich frage deshalb, weil wir nächste Woche hier im Dorf eine Schule für die schwarzen Kinder eröffnen. Die Amerikanische Missionsgesellschaft schickt uns eine Lehrerin und wir werden den leeren Lagerraum hinten im Haus als Klassenzimmer nutzen. Ihre Kinder können von Montag an in die Schule gehen. Sie selbst auch, wenn Sie wollen.“
Die Nachricht traf Lizzie wie ein Schlag. „Sie meinen … lesen und schreiben lernen?“
„Ja“, sagte er lachend. „Und alle anderen Schulfächer auch.“
Lizzie hielt sich die Hand vor den Mund, weil sie Angst hatte, jeden Moment in Tränen auszubrechen.
„Ich möchte, dass meine Kinder in Ihre Schule gehen“, sagte Otis. „Nur so werden sie irgendwann ein besseres Leben haben als wir. Lizzie und ich bleiben gerne auf unserer Plantage, wenn es bedeutet, dass meine Kinder in Ihre Schule gehen können.“
„Wunderbar. Sie sind hier herzlich willkommen. Wie ist denn Ihr jetziges Arbeitsverhältnis geregelt? Sind Sie Farmpächter? Zahlen Sie Ihre Pacht in Naturalien?“
„Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, Sir. Massa Daniel ist erst vor Kurzem aus dem Krieg zurückgekommen und außer dem Küchengarten ist nichts gepflanzt worden. Ich bin der einzige Feldarbeiter, der noch da ist, und außerdem haben wir keine Maultiere zum Pflügen.“
„Miz Eugenia sagt, wir können weiter in unserer Hütte wohnen“, fügte Lizzie hinzu, „wenn wir für sie im großen Haus arbeiten.“
„Ich verstehe. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen helfen, einen Arbeitsvertrag mit den Plantagenbesitzern aufzusetzen. Dann bestellen Sie das Land für sich selbst und nach der Ernte geben Sie einen Teil davon den Besitzern. Der Rest gehört Ihnen. Sie haben es sich verdient. Jeder einzelne Fall ist anders, aber im Vertrag wird auch eine Regelung für Essen und Unterkunft enthalten sein.“
„Wie gesagt, Massa Daniel ist gerade erst aus dem Krieg zurückgekommen“, sagte Otis. „Er weiß selbst noch gar nicht, was er machen soll.“
„Das verstehe ich. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie meinen, dass er so weit ist. Und die Kinder können natürlich sofort mit der Schule beginnen.“
Lizzie hatte das Gefühl zu träumen und sie befürchtete, jeden Augenblick aufzuwachen. Sie wollte sich setzen, traute sich aber nicht. „Kann ich Sie etwas fragen?“, sagte sie.
„Natürlich. Was Sie wollen.“
„Bedeutet frei zu sein, dass mir niemand mehr Otis oder meine Kinder wegnehmen kann?“
„Das stimmt. Nur Gott hat das Recht, Sie voneinander zu trennen.“
Wieder schlug Lizzie sich die Hand vor den Mund, um die Tränen zurückzuhalten. Es war zu viel für sie, das alles zu begreifen. Als sie sich verabschiedeten und mit einem Sack Lebensmittel auf den Heimweg machten, war Lizzie ganz schwindelig. „Träume ich, Otis?“, fragte sie.
„Wenn, dann träume ich auch. Warte, bis ich Roselle und den Jungen erzähle, dass sie lesen und schreiben lernen können! … Aber das bedeutet, dass wir bei Miz Eugenia bleiben müssen, weißt du.“
„Ich weiß. Ich glaube, ich kann es noch eine Weile da aushalten.“
Sie vertraute Otis. Er war das Einzige in ihrem Leben, das sicher war, und der Einzige, von dem sie Liebe erfahren hatte. Bei ihm fühlte sie sich wertvoll. Sie schob ihre Hand in seine, fest entschlossen zu tun, was er für das Beste hielt.
Kapitel 7
10. Mai 1865
Josephine saß am Frühstückstisch und lauschte
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