Am Anfang eines neuen Tages
der Litanei ihrer Familie. Ihre endlosen Klagen ließen ihre ohnehin schon fadenscheinigen Nerven noch dünner werden, wie ständiges Schrubben. Mutter beschwerte sich am meisten. „Wenn wir doch nur Schinken zu diesen Eiern hätten“, sagte sie seufzend. „Ich kann mich kaum noch erinnern, wann wir das letzte Mal Schinken gegessen haben, und ihr? Schlimm genug, dass die Hühner morgens kaum genug Eier für das Frühstück legen, aber ohne Speck oder Schinken ist es doch keine richtige Mahlzeit.“
„Ich hätte so gerne etwas von Dollys Erdbeermarmelade zu diesen Brötchen“, sagte Mary. „Sie sind so trocken.“
„Und ich fände zur Abwechslung eine Tasse echten Kaffee schön“, sagte Daniel, bevor er wieder hinter seiner Zeitung verschwand. Über eine Woche war vergangen, seitdem er nach Hause gekommen war, und Josephine hoffte immer noch, dass er sich aus seinem Trübsinn reißen und die Plantage wieder in Gang bringen würde. Er könnte Daddy natürlich niemals ersetzen, aber ihr schien es, als würde Daniel es noch nicht einmal versuchen.
„Ich weiß noch, als unser Räucherhaus bis oben gefüllt war“, fuhr Mutter fort. „Und stellt euch nur vor, diese Schinken! Wisst ihr noch, wie Dolly sie mit Melasse eingepinselt und mit Nelken gespickt hat? Der Duft war einfach himmlisch.“
Ja, Josephine wusste das noch. Aber sie wollte nicht daran erinnert werden, wie glücklich ihr Leben gewesen war, bevor die Yankees einmarschiert waren. Sie würden vielleicht nie wieder Schinken und Erdbeermarmelade essen, warum also nicht die Erinnerungen zusammenpacken und wegräumen?
„Hör zu, Mama –“, fing sie an, aber ihre Mutter unterbrach sie.
„Erinnert ihr euch an all die Gäste, die mit uns an unserem Tisch gesessen haben? Euer Vater kannte so interessante Leute. Sie haben immer von unseren geräucherten Schinken geschwärmt.“
Josephine hätte sie am liebsten angefleht aufzuhören. Gott hatte den Überlebenden von Sodom und Gomorra befohlen, nicht zurückzublicken, nachdem sie vor Tod und Vernichtung gerettet worden waren, und Jo war sich sicher, wenn ihre Verwandten weiterhin nur in der Vergangenheit lebten, würden sie auch wie Salzsäulen erstarren. Wenn sie sie dazu bringen wollte, zusammen mit ihr nach vorne zu blicken, würde sie ihre steinharte Sturheit vermutlich Stück für Stück abbauen und sie gegen ihren Willen in die Zukunft schleifen müssen.
„Diese widerlichen Yankees haben nicht nur unser Räucherhaus ausgeräumt“, fuhr Mutter fort, „sondern auch unseren Esstisch ruiniert. Immer wenn ich in diesem Raum sitze, ärgere ich mich über ihre Flegelhaftigkeit.“
„Warum essen wir dann überhaupt hier drin?“, fragte Josephine. „Warum können wir nicht im Frühstückszimmer essen, wie wir es nach Daddys Tod getan haben?“
„Weil wir uns unser Zuhause von unseren Feinden zurückerobern müssen“, erklärte ihre Mutter. „Wir werden unsere warmen Mahlzeiten hier einnehmen, wie jede Generation von Weatherlys es getan hat, seit Großvater das Haus gebaut hat.“
Daniel blickte wieder von seiner Zeitung auf. „Vater hätte nur über seine Leiche auch nur einen einzigen dieser Wilden in unser Haus gelassen.“
„Ich weiß. Aber was sollten wir machen?“, fragte Mutter. „Wir waren drei Frauen, die ganz alleine hier waren. Wir mussten nach Richmond fliehen.“
Mutter nahm die kleine silberne Dienstbotenglocke und läutete sie ungeduldig, als erwartete sie, dass eine Horde Sklavenmädchen ins Speisezimmer stürzen würde, um sie zu bedienen. Aber außer Lizzie und Roselle waren alle Haussklaven fort und die beiden mussten das Essen nicht nur auftragen, sondern auch kochen. Nachdem eine Minute verstrichen war, ohne dass jemand kam, läutete Mutter ein zweites Mal. Schließlich schlurfte Lizzie herein, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abtrocknete. Mutter seufzte gekränkt.
„Hast du nicht gehört, dass ich geläutet habe? Soll ich eine lautere Glocke kaufen?“
„Ich habe Sie gehört, Ma’am. Aber ich war gerade dabei, Holz aufs Feuer zu legen. Nächstes Mal werde ich meine Arbeit sofort stehen und liegen lassen.“
Josephine hielt die Luft an. Sie sah die Wut in dem hübschen Gesicht ihrer Mutter – ihre gespitzten Lippen und die hochgezogenen Augenbrauen, ihre funkelnden Augen. Sklaven sollten „Ja, Ma’am“ oder „Nein, Ma’am“ oder „Tut mir leid, Ma’am“ sagen. Auf keinen Fall sollten sie Ausreden für ihr Fehlverhalten vorbringen. Aber
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