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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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werden, sodass sie jetzt kaum noch wusste, wie sie sich ausdrücken sollte. Sie war zweiundzwanzig Jahre alt, aber ein Tadel von ihrer Mutter oder ein einziger warnender Blick von Daniel führten dazu, dass die Worte sich in ihrem Kopf verfingen wie eine dünne Silberkette.
    „Muss ich heute mit dir Besuche machen, Mutter?“, fragte sie.
    „Natürlich, Josephine. Du weißt, dass Priscilla Blake uns erwartet.“
    „Aber wir haben sie doch erst letzte Woche besucht“, wandte Mary ein.
    „Ich weiß. Aber Harrison geht es sehr schlecht. Ich habe Priscilla versprochen, dass wir so oft wie möglich vorbeikommen und versuchen werden, ihn aufzumuntern.“
    „Beim letzten Mal hat er kaum ein Wort mit uns gewechselt“, sagte Mary, „und als wir abgefahren sind, wirkte er genauso mürrisch wie vorher.“
    Harrison Blake hatte sich als der schlimmste Jammerer von allen erwiesen – ein Mann, dessen Wut über die Verluste der Konföderierten keine Grenzen kannte. Er war acht Jahre älter als Josephine und in einer Schlacht bei Petersburg verwundet worden. Das letzte Mal, als sie ihn besucht hatten, hatte er die Chirurgen, die ihm das Leben gerettet hatten, verflucht und alle wissen lassen, dass er wünschte, er wäre gestorben. Während sie ihm zugehört hatte, hätte Jo am liebsten gesagt: Also gut, dann stirb doch, dann haben wir alle Ruhe! Niemand hatte sich gewundert, als seine Verlobte schließlich die Verlobung gelöst hatte. Und niemand nahm es ihr übel.
    „Captain Blake ist ein Kriegsheld“, sagte Mutter, „und wir werden ihn mit dem Respekt behandeln, den er verdient. Seine Mutter ist meine beste Freundin. Ihr Mädchen kommt mit und damit Schluss.“
    „Darf ich aufstehen?“, fragte Josephine. Bevor ihre Mutter antworten konnte, hatte sie sich schon erhoben. Sie verließ das Haus leise durch die Hintertür. Zuerst hatte sie keine Ahnung, wohin sie ging, aber als sie an dem Gemüsegarten und den Ställen vorbeieilte, erinnerte sie sich an die riesige Eiche, unter der sie als Mädchen Zuflucht gefunden hatte. Ihre Brüder hatten in den Ästen ein Baumhaus gebaut und Josephine war oft sehr undamenhaft eine einfache Leiter aus Brettern hinaufgeklettert, wenn sie sich vor allen anderen hatte verstecken wollen.
    Jetzt lief sie zu dem anmutigen alten Baum, um in ihr früheres Versteck zu klettern. Aber sie stellte enttäuscht fest, dass die meisten Bretter der Leiter verrottet waren, sodass ihr nichts übrig blieb, als auf dem Boden zu bleiben. Sie ging unter den Ästen auf und ab, bis ihre Wut schließlich überschäumte und alles, was sie zurückgehalten hatte, aus ihr herausbrach.
    „Ich bin das alles so leid!“, schrie sie, so laut sie konnte, sodass ein Schwarm Vögel aufstob. „Alle sind die ganze Zeit so wütend und verbittert! Wann werden wir endlich wieder glücklich sein? Warum können wir die Vergangenheit nicht vergessen und ein neues Leben anfangen? Wenn ich noch eine Klage darüber anhören muss, was wir alles verloren haben, fange ich an zu kreischen!“
    Ihr Gesicht rötete sich von der Anstrengung, aber es war ein so gutes Gefühl, endlich alles herauszulassen, dass sie tief Luft holte und weitersprach. „Sie jammern über idiotische Dinge wie Schinken und Petticoats und Kutscher und in der Zwischenzeit wächst das Unkraut auf den Baumwollfeldern und im Rübenkeller ist nichts mehr zu essen und nirgendwo wird die Arbeit getan! Aber was macht Mutter? Besuche. Besuche! Harrison Blake ist ein verbitterter, verkrüppelter alter Miesepeter und ich kann keinen Augenblick länger nett zu ihm sein! Ich kann nicht und ich will nicht!“
    Endlich ging Josephine die Luft aus. Sie sank am Fuß des Baumes zu Boden, schlug sich die Hände vors Gesicht und schluchzte. Während des Krieges war sie gezwungen gewesen, tapfer und mutig zu sein, auch wenn sie schreckliche Angst gehabt hatte, und sie hatte gelernt, niemals Furcht oder Kummer zu zeigen. „Das ist unsere Art, uns zu wehren“, hatte Mutter behauptet. „Wir dürfen dem Feind nie das Gefühl geben, wir wären schwach.“ Aber Josephine war es leid, sich zu verstellen. Sie war alles leid. Und deshalb weinte sie.
    Plötzlich fiel ein Stück verrottetes Brett von oben herunter, nur knapp an ihrem Kopf vorbei, und landete neben ihr. Sie sah auf, um zu sehen, woher das Brett gekommen war, und erblickte den Stiefel eines Mannes. Jemand war im Baumhaus!
    Josephine sprang auf, um nach Hause zu laufen, aber nach wenigen Schritten fiel einer ihrer

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